Blockbildung

"blockbildung"
lautete der Vorwurf.
wir deutschen hätten blockbildung betrieben!

die rede ist nicht vom kalten krieg,
sondern vom jahr 2010, den zweiten dezember 2010.

wir, also die BOSSE
und ich,
sind wieder einmal unterwegs.
seit drei tagen hocken wir in wien und diskutieren uns die köpfe heiß, welche projekte wir, die deutschen dependencen, gemeinsam mit den osteuropäern, mit den dependencen unseres global players in polen, tschechien, slowenien, slowakei, ungarn, bulgarien, rumänien und österreich angehen.
schwierig.
alles.
dieses mal.

es geht um strategische projekte....
in verschiedenen bereichen...

"blockbildung" - lautet der vorwurf!
ich verstehe nicht recht,
als ich morgens in der kaffeepause,
darauf angesprochen werde:
"blockbildung"

die österreicher sprechen es an.
zuerst nur unter vier,
dann unter sechs,
schließlich unter acht augen.
vier menschen, die zusammenstehen.
zwei österreicher und zwei deutsche.
während die anderen europäer
mit ihren kaffeetassen in der hand
ebenfalls grüppchen bilden.

blockbildung.

der vorwurf, der in den raum gestellt wird:
in das letzte mitarbeitermeeting vor zwei wochen
seien
unsere deutschen projektmitarbeiter
mit vorgefertigten schablonen gekommen.
und hätten damit
allen anderen teams
das messer auf die brust gesetzt.

deutsche blockbildung?

weil die deutschen mitarbeiter,
mit eigenen vorschlägen,
mit konkreten vorstellungen,
mit ganz bestimmten ideen
angekommen sind!

europa
ist plötzlich
nicht 20 zentimeter entfernt,
so groß ist der physische abstand,
als wir zusammenstehen,
am kaffeetisch,
sondern
europa
ist mit einem Mal
20 lichtjahre entfernt.

blockbildung!
lautet der vorwurf, der aus dem PRO - A K T I V E N Verhalten der deutschen abgeleitet wird,
W E I L
sie den osteuropäern keine chance ließen,
sich ihre eigenen gedanken zu machen und diese einzubringen.
wir, die deutschen,
also unsere deutschen mitarbeiter,
hätten ihre vorstellungen allen anderen nationalitäten über gestülpt.

kleine kristalline eiskugeln perlen aus dem mund der schönen österreicherin, als sie uns mit diesem vorwurf konfrontiert.
die eiskugelnden worte bauen sich langsam auf
wie eine eisige mauer zwischen uns Vier.
blockbildung also.
eiszeit!
mal wieder!
die osteuropäer beleidigt;
weil die deutschen klare vorstellungen haben.

"blockbildung"
höre ich die österreicher wiederholen,
und sagen: „die deutschen haben in dem meeting vor zwei wochen sofort die leute aus den regionen um sich gescharrt, vor allem diejenigen, die sie im projekt dabei haben wollten. osteuropäische regionalmitarbeiter aus anderen sektoren und branchen haben gar keine chance gehabt.“

blockbildung!?

ich ziehe die rechte augenbraue hoch.

C H A O S !!!
„mir wurde berichtet, es habe chaos geherrscht,“ kontere ich.

„wieso?“
die österreicher sehen mich erstaunt an.

blockbildung.
ich hole aus zum verbalen gegenschlag!

mir sei berichtet worden, es habe keine chance zum gedankenaustausch bestanden, weil von morgens bis nachmittags nur präsentationen gehalten wurden. die mitarbeiter, die aus den verschiedenen ländern zum projektbildungsmeeting nach wien entsandt wurden, hätten keine chance gehabt, sich miteinander auszutauschen.

ich hole kurz luft und lege nach:
„die moderation des gemeinsam beauftragten projektbildungsbüros, das den projektbildungsprozess steuern soll, hat kläglich versagt,“ haue ich auf den tisch und lege nach: „unsere deutschen kollegen hatten erwartet, dass sie ihre ideen, ihre vorstellungen hätten präsentieren dürfen. nichts dergleichen geschah. stattdessen jagte sechs stunden lang eine präsentation die andere. präsentationen, die nicht die verschiedenen regionalteams hielten, sondern das projektbüro! frontalunterricht. wie früher in der schule. lang, lang ist`s her.“

die österreichische delegation schweigt betroffen,
während ich weiter ausführe:
irgendwann am nachmittag, nach sechs stunden frontalunterricht in jenem mitarbeitertreffen, seien die deutschen mitarbeiter dann dazu übergegangen auf die anderen regionalmitarbeiter zuzugehen und sie für ihre projektideen zu gewinnen.

"völlig legitim" sage ich, "wenn die moderation versagt, verselbständigen sich die menschen."

die österreicher schweigen, mit nach unten gezogenen mundwinkeln.

„ja, die moderation hat versagt, das sehe ich auch so. die moderatoren vom projektbüro hätten mit entsprechenden kommunikationsmaßnahmen gegen steuern müssen,“ räumt der eine österreicher ein.

„das grundproblem jenes meetings war, dass die leute nicht in workshopatmosphäre miteinander sprechen konnten, dass sie ihre ideen nicht austauschen, nicht auf kärtchen malen, nicht an die wand pinnen, nicht mit roten punkten bekleben und nicht bewerten konnten,“ nehme ich den faden wieder auf.

mittlerweile leiste ich ganze überzeugungsarbeit.

langsam beginnt das eis zu schmelzen,
der ausstoß von beleidigte-leberwürste-worten läßt nach.

die jammertirade von den „bösen“ deutschen,
dieses „du,du,du“ mit erhobenem zeigefinger verstummt.

tauwetter.
wie draußen vor der tür.
2155 mal gelesen
hans1962 - 9. Dez, 22:20

*tränenausdenaugenwisch*

Als gelernter Österreicher danke ich Ihnen hellauf lachend für diese treffende Geschichte. Herrlich, ganz einfach!

Maluceane - 11. Dez, 07:49

Waansinn! Waansinn!
Heast`, wann I`s da soch`.
A Waansinn is des mit dene Deitsch`n...

;-)

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