steppenhund - 11. Apr, 22:50

zur Elite

Interesting words. Nein, ich muss wieder auf deutsch zurückschalten. Ich komme soeben aus Belgrad zurück, unheimlich müde, praktisch schon am Weg ins Bett, vier Stunden früher als normal ( :) ) und werde von meinem alten Schulfreund angerufen. Eh der mit der Professur in Basel und dem Nierenkrebs, der, welcher noch immer lebt und trotz der Beschwerden, die er durch die Medikation hat, fast jeden Monat einen Vortrag halten muss.
Jetzt auf einmal (wo er es nicht braucht) kommen die Leute zu ihm und fragen ihn und laden ihn ein etc.
Leider kann ich das Treffen am Sonntag wahrscheinlich nicht wahrnehmen, weil ich da vielleicht schon wieder wegfliege. So unterhalten wir uns und das vielleicht über eine Stunde. Über Grass haben wir nicht gesprochen. Doch über die Unmöglichkeit, vorauszusagen, welches Land von einer Krise besonders betroffen wird und welches sich leicht herauswurschteln kann. Er hat eine These aufgestellt, dass die Orthodoxen das etwas verschlampt haben. Steuerhinterziehung bei Orthodoxen wird nicht wirklich als das Verbrechen angesehen, wie es in Amerika oder in Deutschland behandelt wird. Wir sprechen über Emmy Noether, eine besondere Mathematikerin, die man bei uns kaum kennt. Sie ist Frau und Jüdin, was für eine tödliche Mischung. Gut genug, um sie in Österreich tot zu schweigen, während in Amerika höchste Auszeichnungen nach ihr benannt sind. Wir sprechen über meinen kommenden Vortrag bei einem Mathematiksymposium, (!) bei dem ich über Software-Test spreche und ich erläutere ihm meine Ideen über Ultra Large Scale Software Systems. Wir sprechen über die Häufung von simplen militärischen Konzepten in einem Großteil der Science Fiction, ich bringe Gegenbeispiele. Kurz wird die Art der Nobelpreisvergabe gestreift.
Er bewundert die seherischen, intuitiven Fähigkeiten eines Bernoulli und meint, dass er dazu nicht fähig wäre. Ich bestreite das und gebe ihm Beispiele, wo man mit reiner Intuition den richtigen Sachverhalt erfühlen kann. Ich habe den Hinweis auf Emmy Noether von einer ehemaligen Freundin bekommen. Da ich sie auf Skype erwischen konnte, habe ich mich bei ihr bedankt und war sehr überrascht, was sie mir erzählte. Ich habe die Geschichte mit der Symmetrie (eines der wesentlichen Theoreme von Emmy Noether) 2001 in Diskussionen mit ihr über Gott angeführt. Damals haben wir gestritten, doch heute verwendet sie die Ideen, wenn sie mit Leuten argumentiert. Und deswegen hatte sie auch die Ähnlichkeit erkannt und wollte mir das deswegen zukommen lassen.
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Das waren ungefähr die Hälfte der Themen die wir in einer Stunde abgehandelt haben. Weitaus ausgedehnter, doch alles mit sehr konzisen und knappen Darstellungen.
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Ich würde den Schluss ziehen, dass es noch so etwas wie eine Elite gibt. Ich gehöre da nicht dazu, aber ich kann es verstehen, wenn jemand aus der Elite mit mir spricht. Da kann ich fast überall mithalten. Doch das läuft über Telefonate, Skype-Sessions, private Mails... Das, was rausgeht, ist möglicherweise eine Publikation oder ein Vortrag. Und den hören nur ganz wenige Leute. Ich persönlich bin es müde geworden, mit Leuten zu reden, bei denen man von Adam und Eva anfangen muss. Dann schweige ich lieber und stelle mich dumm.
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Was die junge Israelin erlebt und berichtet hat, habe ich vor etwa 20 Jahren in Südkorea erlebt, wenn junge Männer andauernd zu Reserveübungen eingezogen wurden und mir irgendwann klar wurde, wie kurz die Distanz zwischen Nordkorea und Seoul ist. Und wenn ich jetzt in Serbien mit Leuten zu tun habe, die vor 13 Jahren noch einen Krieg erlebt haben, dann macht das auf mich auch einen großen Eindruck.
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Und wenn ich dann sehe, wie eine Realityshow noch blöder ist als die vorgegangene, dann fürchte ich, dass die Elite, welche sich über das Lesen definiert, wirklich bald das Schicksal derjenigen erleiden wird, die in Fahrenheit 451 von Ray Bradbury vorkommen.
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Es ist verdammt gefährlich, zur Elite zu gehören oder gehören zu wollen. Vielleicht wird es einmal bereits lebensgefährlich sein, wenn man zugibt, dass man lesen kann. Deswegen kann mich das Gedicht von Grass weniger aufregen als die Artikel in einem Spiegel. Denn der Spiegel war auch schon einmal besser.
Und in der Süddeutschen im Flugzeug lese ich über Leonard Nelson, einem deutschen Philosophen, der sich schon vor einem Jahrhundert darüber aufgeregt hat, wie schlampig die Philosophen mit der Logik umgehen.
Vielleicht wird gar nicht alles schlechter. Vielleicht war vieles früher genauso wie heute, nur heute bekommen wir es aktuell und lebendig ins Haus geliefert.
Vielleicht reicht es schon, einfach mehr Beruhigungspillen zu nehmen.

Teresa HzW - 20. Apr, 10:54

@Steppenhund

"Your words are also interesting!"
Sie zeigen, wie die modernen Kommunikationsmittel in positiver Weise dazu beitragen, dass [unser]eine[r] intell[igent]-e-ktuelle Gedanken mit anderen Gleichgesinnten austauschen kann. Gleich, wo ein anderer Intell[igent]-e-ktuelle[r] auf dieser Welt zuhause ist.

„Dass es noch so etwas wie eine Elite gibt“ – ziehe ich daher nicht in Zweifel. Doch sind dies nicht eher sog. "fach[wissenschaft]liche Eliten", lieber Steppenhund? Die ihre Überlegungen [wie eben, von Ihnen wunderbar, beschrieben] in eigenen Communities, unter ihresgleichen mit modernen Kommunikationsmitteln führen!?

Mir ging es mehr darum, einmal aufzuzeigen, dass wir Gefahr laufen, dass wir unsere sog. Welt-Intellektuellen verlieren. Zu solchen Welt-Intellektuellen rechne ich nur wenige, die sich ihre Reputation [eines Welt-Intellektuellen] über Jahrzehnte – natürlich mit Hilfe medialer Außenwirkung – aufgebaut haben bzw. wohl gerade auch durch die mediale Beachtung erst ein solches Renommee auch in der breiten Öffentlichkeit erwerben konnten. Dazu zählt für mich neben dem genannten Schriftsteller auch ein Helmut Schmidt oder ein Henry Kissinger oder auch der französische Philosoph Stéphane Hessel.

Allerdings:
Ich fürchte eben, dass wir der Welt-Intellektuellen verlustig gehen, denn in der Tat, welcher kluge Kopf hat heute noch die Chance sich in ähnlicher Weise wie die eben Genannten entwickeln zu dürfen!?
Sind es nicht gerade die Social Media und ihre Codes, die zu einer Selbst-Beschränkung aller Klugen und alles Intelligenten-Intellektuellen führen?

Welcher kluge Kopf riskiert in die Mühlen "öffentlichen" Bashings zu geraten? Dann lieber einen Vortrag unter seinesgleichen halten. Oder ein Buch unter dem Deckmantel der Fiktion oder Zukunftsutopie heraus geben [damit bleibt dann immer ein Hintertürchen des Rückzugs offen].

Insofern erleben wir doch schon – vielleicht gerade wegen der enthemmten social media Auswüchse – das, was Sie, lieber Steppenhund, bereits als Befürchtung in Ihrem Kommentar oben formulieren:
"Es ist verdammt gefährlich, zur Elite zu gehören oder gehören zu wollen."

Wobei ich glaube, dass es für Intellektuelle zu keiner Zeit einfach war! Gab es nicht auch schlimmere Zeiten und Gesellschaftsstrukturen- etwa jene, als Andersdenkende, laut Nachdenkende, offen verfolgt und in den Kerkern der Inquisition gefoltert wurden. Insofern... seien wir froh, heute zu leben!
UND:
Bevor wir zu den Beruhigungspillen greifen, öffnen wir lieber einen Tropfen guten Wein! ;-)

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