"...und sie sprachen untereinander"

@Otto:"Sicht der Erzählerinstanz"; Aléa: Bolaño; Teresa: Moderne in der Literatur

ich bin der böse Bube, der Aléa "schon zweimal so blöd zusammengefaltet hat". Vielleicht kann man diese Benennung auch als Auszeichnung verstehen, wer weiss. Ich schreibe dies frei von meiner geschenkten Leber weg, also unsortiert. Dem Otto möchte ich zustimmen, weil er versucht den Fokus des Modernen auf eine Aussage und das Inhaltliche zu richten. Vor Jahrzehnten habe ich einmal einen Funkkollegkurs "Literarische Moderne" absolviert, dort wurde Baudelaire, also ein Lyriker, als der Beginn einer Moderne bezeichnet, also ca. 1860. Modern ist also der Umbruch im Bewußtsein des Schreibenden, Form kann zwar auch modern wirken, hat aber eine wesentlich kürzere Halbwertszeit. Deshalb erreicht mich visuelle Poesie auch immer nicht wirklich. Das Spiel der Buchstaben mag seinen Reiz haben, aber es wühlt mich nicht auf. "Google Earth" habe ich im Fernsehen gehört und gesehen, aber das Interessante schien mir weniger die Perspektive des Erzählers, das war nur ein Gimick, er hatte mit seinen Beobachtungen auch etwas zu erzählen. Ich lerne ja immer gern Fremdwörter dazu oder etwas über ihren Gebrauch, wenn ich sie schon kenne. Also "dos à dos" oder "mise en abyme", beides ja äußerlich Verschachtelungsformen, machen mir noch keinen modernen Roman aus. Die Postmoderne mit ihren Versatzstücken und Genrespielereien, also "literarisches Multikulti" ist eigentlich auch schon wieder vorbei. Deshalb bleibt auch bei mir nur die "Erzählerinstanz" übrig. Formen werden sich immer ändern und jede wird eine zeitlang modern sein, bis sie von einer anderen Moderne abgelöst wird. Ein Bewunderer Bolaños bin ich deshalb, weil ich bei diesem Autor etwas Neues als Erzähler spüre. Ich habe schon an anderer Stelle versucht, dies zu beschreiben, nannte es dort "Autoren-Innerer-Monolog". Für mich heißt das, ein Autor schreibt zwar eine fiktive Geschichte, aber er ist sich in jedem Moment seines Schreibens bewusst, nur eine fiktive Geschichte zu schreiben und er schreibt sie deshalb nicht mehr als eine hermetische Geschichte, sondern jeder Satz atmet etwas von der Zerrissenheit, Realität aus der Erinnerung abzubilden, das Fiktive zu schaffen und doch zu wissen, das der Autor letzlich nur sich selbst beschreiben kann. Bei Bolaño hat die Ahnung seines eigenen Todes jedes seiner Bücher beeinflusst. Ein Autor sollte schreiben, als wäre jeder Satz möglicherweise sein letzter, klingt pathetisch. Den Schreibmoment, das temporäre Bewusstsein beim Schreiben mit in den Schreibprozess selbstreflektiv einfliessen zu lassen, ich glaube an manchen Stellen in Aléas
Blog habe ich auch so etwas gefunden. Bei aller enormen Konstruktion, gerade von "2666", das ein ganzes Jahrhundert um fassen will, die schnelle Inspiration findet man dort überall. Ich finde es schön, dass Sie, Teresa, einen Satz Aléas zum Anlass genommen haben, über die literarische Moderne zu reflektieren. Noch auf ein Wort: einen "Stoff pitchen", den Gebrauch müssen sie erklären, Golf oder DJ, einem Annäherungsversuch an Aléas neuen Roman stände ich auch sehr interessiert gegenüber, aber ich befürchte, sie ist geheimniskrämerisch und das ist auch gut so.
Ob es ihren alten Roman "Berlin am [Schwarzen] Meer irgendwo vollständig zu lesen gibt?

Teresa HzW - 6. Aug, 22:37

Lieber BUECHERBLOGGER.

das mit dem „Spiel der Buchstaben“ ist für mich eher etwas, was ich dem Bereich der Graphiker zuordne, auch wenn es mich immer wieder erstaunt, was Angehörige dieser Berufssparte graphisch aus dem „Spiel mit den Buchstaben“ oder Worten herausholen können.

Allerdings: es gibt Schriftsteller wie auch Schriftstellerinnen, spontan fallen mir hier sowohl Hans Magnus Enzensberger wie auch unsere aktuelle Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller ein, die dieses „Spiel der Buchstaben“ hervorragend beherrschen. Der eine mit seiner „Wörtermaschine“, die ich vor zwei Jahren bei einer Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne selbst bedienen konnte und doch beeindruckt über die Wortschöpfungen war, die sie zu Tage brachte. Die andere mit ihrer „Cut-up“-Technik, dem Auseinanderschnipseln von Wörtern und neu Zusammenlegen, bei dem sich erstaunliche Sätze bilden lassen. Allerdings würde ich einen Roman, der auf diese Weise entstünde, dennoch nicht ohne weiteres als „modern“, eher als experimentell, bezeichnen. Womit ich wieder bei OTTO bin, der sehr richtig anmerkte, dass es Form ohne Inhalt, im Sinne von Substanz, nicht geben kann.

Was das „literarische Multikulti“ betrifft, bin ich (noch) etwas unschlüssig und im Nachdenken begriffen. Ich frage mich, ob wir – gerade aus der Zeit verzögerten Leser-Wahrnehmung heraus – demnächst doch wieder eine Renaissance der alten Postmoderne erleben könnten?

Seinen „Stoff pitchen“ – das habe ich auch erst kürzlich von Verlagsmenschen gelernt - heißt, die Geschichte seines Romans (bzw. den Stoff des Romans, an dem man gerade schreibt), auf einen einzigen, wesentlichen Satz zu verdichten, in einem einzigen Satz wieder zu geben. Den „Stoff pitchen“ ist insofern etwas anderes als den Plot wieder geben. Der Ausdruck selbst kommt übrigens aus der Werbung, für mich erstaunlich, dass er nun den Weg in die Welt der Buchherstellung findet.

Herzlich
Teresa

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