Teresa HzW - 6. Aug, 22:04

Erzählerinstanz, philosophische Reflexion und Autoren-Innerer-Monolog - als Teil der modernen Form des Romans!?

Liebe Aléa, lieber Otto, lieber Bücherblogger,

vielen Dank für Deine und Ihre Kommentierungen.

Heute die versprochenen Antworten, die ich in einem (langen) Kommentareintrag wieder geben möchte. Einerseits, weil Sie alle miteinander Gedanken äußerten, die sich idealerweise am besten beantworten lassen, wenn sie zueinander in einen Kontext gesetzt und gemeinsam miteinander reflektiert werden. Andererseits, weil ich versuchen möchte, in meinem Blog, auch zur Kommunikation untereinander anzuregen. Daher steht auch das BABEL-Zitat (derzeit noch) oben rechts in meinem Litblog ; -)
Vielleicht ist es einfach Zufall, dass Sie Drei sich in Ihren Kommentaren ergänzen… und insofern eine glückliche Fügung für dieses Diskussionsthema um den „modernen Roman“.

Bei ALÉA fand ich drei interessante Sätze, die ich meiner Antwort vorweg stelle und der ich dann nachdenkenswerte Gedankengänge, die OTTO und der BÜCHERBLOGGER einbrachten, gegenüberstelle:

„Der moderne Roman muss seine Form bedenken und reflektieren. Er muss eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Form“ haben. Das mussten die prä-modernen Romane in dieser Form nicht.“
Als Bücher-Leserin [wie auch als Autorin] stellt mich der „normale“ Roman nicht mehr zufrieden. Der klassische Romanaufbau mit seinen klassischen Themen „Liebe, Hass, Neid, Missgunst, Intrige, Profitgier, Macht, Ohnmacht“ langweilt mich. Im Buchladen blättere ich hinein und lasse sie liegen, die Bücher dieser Art, selbst wenn sie von namhaften Autoren geschrieben sind. Wenn ich durch eine Lesung zum Kauf verleitet, sie dennoch mitnehme, lese ich oftmals nur das erste Drittel, lege sie dann ermüdet weg.
Anders, wenn es interessante, ich nenne es jetzt mal, neue Ansätze (statt „modern“) der Erzählerstimme oder der Erzählsituation gibt, wie sich verschränkende Handlungen oder Puzzleteile, die in den ersten Buchkapiteln gestreut werden und ab der Buchmitte neue (Handlungs)gestalt annehmen. Dann „fresse“ ich mich durch die Seiten, bin sogar enttäuscht, wenn das Buch plötzlich zu Ende ist. Leider kommt das Ende dieser Bücher immer abrupt. Bei solchen Büchern könnte ich statt 250 Seiten auch 500 oder 700 lesen.

Insofern stimme ich dem BÜCHERBLOGGER voll und ganz zu, der sagt:
„Formen werden sich immer ändern und jede wird eine Zeit lang modern sein.“ Und DESHALB bleibe nur die „Erzählerinstanz“ übrig.

Das Faszinierende am „Google Earth“-Text ist für mich daher gerade DIESE Erzählerinstanz, die diese Geschichte erzählt und weniger die Interpretationen und Erklärungen der Juroren. Zumal die Perspektive so neu nicht ist, und mir die „weltgeschichtliche“ Interpretation eines der Juroren zu weit ging. Im Prinzip ist „Google Earth“ die Erzählung aus der alten Perspektive des „camera eye“, die von der Totalen in die Makroaufnahme der Details und zurück, hin und her, zoomt.

Interessant fand ich Ihre Ausführungen zum „Autoren-Inneren-Monolog“, wie Sie, lieber Bücherblogger, „das Bewußtsein des Autors über DEN EINEN (bewußten) Moment (in jeder Sekunde) des Schreibens“ es bezeichnen (wenn ich das so verkürzt wiedergeben darf).
Vielleicht finden Sie dies „an manchen Stellen in Aléas Blog“, weil diese Selbstreflektion des Schreibens beim Blog-Schreiben leichter möglich ist als beim Schreiben eines Buches? (Das ist jedenfalls meine sehr bescheidene Sicht als erst seit kurzem Bloggende auf die Unterschiede (be)im Schreiben) Vielleicht reflektiert man als Blog schreibender Autor den Moment, „die Sekunde des Schreibens“, stärker als wenn man für (s)ein Buch schreibt?

Vielleicht gehört die „philosophische Substanz“, wie OTTO sie, ich möchte schon fast sagen, FORDERT, mit in diesen Kontext gesetzt!? Jedenfalls fand ich diese letzten drei Sätze Ihrer Kommentierung sehr bemerkenswert, sie könnten für mich als weitere These in der Diskussion um den „modernen Roman“ gesetzt werden:
„Keine Geschichte läuft von selbst. Ihr Motor ist die philosophische Substanz. Sie bestimmt auch die Form.“
Daher frage ich mich auch, WAS wird als nächstes kommen? WELCHE Form? WAS ist die „philosophische Substanz“, der sich heute ein Autor, eine Autorin zu stellen hat?
Globalisierung, die Entmenschlichung des Arbeits- und Erwerbslebens, grenzenlose Mobilität, die Schnelllebigkeit der heutigen Welt… Nur einige Stichworte, die in einem nie zuvor gekannten Ausmaß bis in den hintersten Winkel der letzten Privatheit, in Familie und persönliche Beziehungen hinein wirken, sie beeinflussen, sogar über deren Fortbestand entscheiden. Je nachdem, ob ein Erzähler/eine Erzählerin den o.g. Stichworten positiv oder negativ gegenübersteht, wird er durch seine philosophische Weltsicht der Dinge die Geschichte erzählen.
Allerdings, lieber OTTO, hege ich doch gewisse Zweifel, ob sich das Gros der Autoren und Autorinnen des Mainstream so viele philosophische Gedanken über die „philosophische Substanz“ machen, bevor sie einen neuen Roman zu schreiben beginnen. Ob sich jemand hierzu Gedanken macht, wird sowohl mit der Art des Stoffes, mit dem Plot, den jemand im Hinterkopf bewegt, als auch für den Verlag, bei dem er unter Vertrag steht, zu tun haben.
Vielleicht kann sich nur ein Autor, eine Autorin wirklich IHRE Fragen stellen, die noch völlig frei (also ohne feste Verlagsbindungen) ist:
„Was ist die Substanz eines Werkes? Worin besteht sie?“ Was ist „die Art und Weise der Sicht der Erzählerinstanz(en) auf die Welt und ihre Dinge“ und damit „die ihr zugrunde liegende Philosophie“!?

Insofern möchte ich als – nicht ganz (un)bemerkenswertes – Zwischenfazit ziehen:
Der moderne Roman muss seine Form bedenken und reflektieren.
Entscheidend ist jedoch die Erzählerinstanz,
und die Reflexion des Erzählers auf die Weltsicht und ihre Dinge.
Nicht zu vergessen: der Autoren-Innere-Monolog.

Zugleich stellen sich mir daraus jedoch neue Fragen:
Was ist mit der Reflexion des Autors, des Schreibenden, selbst?
Wie beeinflusst die Haltung – oder um es in den Worten OTTO´s zu sagen: also auch die philosophische Sicht - des Autors die des Erzählers? (denn Erzähler und Autor müssen ja nicht identisch sein)
In welchem Verhältnis steht die Erzählerinstanz zum Autoren-Inneren-Monolog?

Zuguterletzt inspirierten Sie, lieber BUECHERBLOGGER, mich durch Ihre nachfolgend zitierte Aussage noch zu einem ganz anderen Aspekt, nämlich der Sicht des Lesers: "Modern ist also der Umbruch im Bewußtsein des Schreibenden.“
Was ist jedoch mit dem Leser? Wann nimmt der Leser den Umbruch wahr? Sofort? Oder eher Zeit verzögert? Gilt etwas als modern, wenn ein Autor/eine Autorin es als „modern“ deklariert? Oder wenn es die Kritiker, die Feuilletonisten tun? Was ist jedoch mit dem Leser? Müsste der Beginn einer neuen Epoche bzw. die Einordnung, ob ein Roman „modern“ ist, nicht auch der Wahrnehmung der Leser überlassen sein?

ODER: HABEN wir nur dann einen „Roman neuer und somit moderner Machart“ vor uns, wenn alle vier – der Autor selbst, sein Erzähler, die Mehrzahl seiner Kritiker wie auch seine Leser – einen Roman als „neu“ empfinden und ihn somit als "modern" definieren?

Damit werfe ich Ihnen nun wieder den Ball zu, vielleicht haben Sie Drei – und gerne natürlich auch andere Blog-Leser und Leserinnen – Lust, ihn wieder aufzunehmen ;-)

Weitere Antworten gebe ich gleich noch in direkten Kommentaren, die sich nicht so gut zu einander in Kontext setzen lassen.

Herzlich
Teresa

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