Vom Feuer in der Literatur und dem Abgrund ins Unendliche

Liebe Teresa,

ich antworte Ihnen auf Ihren Kommentar bei mir hier bei Ihnen zuhause. Zum Kauf der 11
Studienbriefe "Literarische Moderne" kann ich Sie nur beglückwünschen. Dass meine kurze Bemerkung diese Wirkung hatte, passt gut zum "Papierhaus" von Dominguez. Das Niveau des Kollegs fand ich damals so auf Hauptseminarebene, 1994 ist lange her, aber bei weitem nicht alles darin ist veraltet. Dem Zitat aus der Rede Vargas Llosas 1967 zur Verleihung des "Premio Romulo Gallegos"
kann ich natürlich nur zustimmen. Eine Literatur ohne das Feuer der Auflehnung ist keine Literatur.
Antworten möchte ich allerdings heute mit einem Zitat aus der Rede eines anderen Preisträgers dieses Preises von 1999, Sie werden es ahnen, Roberto Bolaño:
"Den Kopf ins Finstere stecken können, ins Leere springen können, das Wissen darum, dass es sich bei der Literatur um etwas Gefährliches handelt. Wandeln am Rande des Abgrunds: auf der einen Seite
die gähnende Tiefe, auf der anderen die lächelnden Gesichter derer, die man liebt, die Bücher, die Freunde, das Essen."

Hier ist sicher nicht der Ort, eine neue Romantheorie zu entwickeln und der Streit um die Vorherrschaft von Inhalt und Form ist obsolet. Aléa hat auch sicher recht, wenn sie meint, das Moderne würde sich auch immer in neuen Formen ausdrücken. Mich lässt jedoch der Begriff "mise en abyme" nicht los. Formal meint dieses "Stellen in den Abgrund" ja die Spiegelung des Kunstwerks in sich selbst bis in die Unendlichkeit. Bekannte Beispiele in der Malerei oder der Fotografie gibt es ja: Jan van Eyck "Arnolfini-Hochzeit" oder ich erinnere mich an das Foto des Plattencovers von Pink Floyds "Ummagumma". Was den modernen Roman angeht spüre ich diesen Abgrund aber gern im Autor selbst oder in seiner Sprache, die den Leser auch inhaltlich einen Abgrund wahrnehmen lässt, weil dieser in dem ist, was das Fiktive immer beschreibt: den unendlichen Abgrund unserer Welt und den
in uns selbst.
Durch wilde-leser.de und durch den "Argentinischen Juli" beschäftige ich mich zur Zeit mit argentinischer und lateinamerikanischer Literatur. Ihrem Hinweis auf die Ausstellung im Museum der
Literarischen Moderne in Marbach bin ich daher sofort nachgegangen. Das Städtchen, in dem ich noch nie war, muss wohl eine literarische Atmosspäre wie Weimar haben. Falls sie dort wohnen oder beruflich tätig sind, ich meine mich dunkel an Beschreibungen bei Aléa zu erinnern, sind sie zu beneiden. Zu Bolaño will ich Sie nicht bekehren, bei Aléa ist mir das schon nicht gelungen, aber sie hat ihre guten Begründungen. Die Literatur ist so vielfältig und bemerkenswert finde ich eher, dass so unterschiedliche Menschen durch fast zufälliges Blog-Zapping eine gedankliche Beziehung zueinander finden. Als nächstes lese ich den "Lumpenroman", die bisherigen drei Bände der Onetti-Werkausgabe stehen ungelesen hinter mir. Um mich herum auf dem Fussboden liegen die 11 Studienbriefe von 1993, in denen ich nostalgisch herumblättere. Vielleicht schreiben Sie mir
einmal, Email oder Blog etwas über Ihre Leseerfahrung, würde mich freuen. Genauso wie mich Ihr Kommentar gefreut hat, er kam zum richtigen Zeitpunkt.

Herzliche Grüsse nach Marbach (?) und viel Freude bei Ihrem Blog

Dietmar

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