Altweibersommer-Rätsel4

Es wird uns von bürgerlicher Seite häufig gesagt, wir sollten doch die Wahlrechtsfreunde, die Kampfgefährten, die Bundesgenossen, die zu uns aus jenem Lager stoßen, nicht zurückweisen. Das wollen wir gewiß nicht; sie sollen nur herkommen, wir wollen sie mit offenen Armen aufnehmen. Aber wo sind sie, die treuen Bundesgenossen in unserem politischen Kampfe? Sind es etwa die Freisinnigen, die gestern erst bei den Hottentottenwahlen die schwärzesten Reaktionäre unterstützten, als es galt, einen Sozialdemokraten niederzuwerfen, und die morgen schon, bei der nächsten Reichstagswahl, höchstwahrscheinlich genau dasselbe tun werden? Oder sind jene treuen Bundesgenossen, auf die wir rechnen können, die bürgerlichen Demokraten, diese jüngste Blüte unserer politischen Entwicklung? Werte Anwesende! Alle Achtung vor der ehrlichen Überzeugung und dem Mannesmut der Gerlach, Breitscheid und Genossen, die wenigstens die Konsequenz haben, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für beide Geschlechter zu fordern und im Kampfe dafür einzutreten. Allein in einem Kampfe wie der gegenwärtige, wo gewaltige gesellschaftliche Mächte gegeneinander ringen, wo nur große Massen in Betracht kommen, da müssen wir den bürgerlichen Demokraten die Worte des römischen Kaisers entgegenrufen, als er seinen allein vom Schlachtfelde zurückkehrenden Feldherrn sah: »Varus, wo sind deine Legionen?!« Wir sehen tapfere Offiziere, aber leider, die Armee existiert nicht. Freilich betrachten sich die bürgerlichen Demokraten selbst erst als die Vorhut heranrückender Scharen. Sie wollen die ersten zarten Schneeglöcklein eines anbrechenden bürgerlich-demokratischen Frühlings in Deutschland sein. Nun meine ich aber, wenn das Mißtrauen eine demokratische Tugend ist, so ist es eine sozialdemokratische Pflicht zu nennen. Und nach den Erfahrungen der bisherigen Entwicklung in Deutschland müssen wir leider sagen: Bei aller Sympathie und Hochachtung für die Handvoll bürgerliche Demokraten können wir sie nicht für die Schneeglöcklein eines anbrechenden Lenzes, sondern eher für die spärlichen Herbstzeitlosen eines melancholischen Altweibersommers halten. (Andauernde stürmische Heiterkeit und Beifall.)

An diesem Tag, wo die Augen der halben Welt auf Deutschland gerichtet sind, wünschte ich, dass die erste Frau im Staate eine solch` flammende Rede hielte wie jene politische Autorin, von der obiger Redeauszug stammt und die heute Gegenstand meines Altweibersommers-Rätsel ist.

Immerhin geht es heute im Deutschen Bundestag " um die Wurscht" bzw. die "Kanzlerinnenmehrheit", weil um die Zukunft Europas und den nächsten [griechischen] Euro-Rettungsschirm [zur Live-Debatte vor der Abstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsschirm >>>HIER bei Phoenix-TV].

Deshalb gehört heute ein Textauszug einer Internationalistin, einer – man könnte aus der Retrospektive durchaus sagen großen Europäerin - ins Altweibersommer-Rätsel , bei dem es zudem etwas politischer wird: Der obige Textauszug stammt aus einer Rede, welche die aus Polen stammende Autorin, die vier Sprachen fließend sprach, vor der Volksversammlung in Frankfurt am Main gehalten hat, im Frühjahr 1910.

Gesucht wird also eine Frau, deren Leben die Politik war: "Die Verwirklichung der sozialistischen Klassengesellschaft ist die gewaltigste Aufgabe, die je einer Klasse und einer Revolution der Weltgeschichte zugefallen ist. Diese Aufgabe erfordert einen vollständigen Umbau des Staates und eine vollständige Umwälzung in den wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen der Gesellschaft. Dieser Umbau und diese Umwälzung können nicht durch irgendeine Behörde, Kommission oder ein Parlament dekretiert, sie können nur von der Volksmasse selbst in Angriff genommen und durchgeführt werden."
Dies schrieb sie in der von ihr herausgegebenen Zeitung am 14. Dezember 1918. Diese Publikation war zugleich das Sprachrohr einer Partei, deren Gründungsmitglied sie war. Ihre praktisch-politische wie auch publizistische Arbeit stellte sie ganz in den Dienst dieser Partei und ihrer Klientel, der Arbeiter.

Allerdings ist die Gesuchte nicht sehr alt geworden. Bis zu ihrem gewaltsamen Tod im siebenundvierzigsten Lebensjahr hatte sie dennoch eine Menge bewegt. Kein Wunder, dass sie bereits zu ihren Lebzeiten eine Legende war. Die Deutsche Bundespost widmete ihr im Jahr 1974 sogar eine eigene Sonderbriefmarke und Margarethe von Trotha verfilmte in den 1980er Jahren ihr Leben.

Im Film spielt ihr politischer Begleiter noch folgendes Lied, bevor sie von den Konterrevolutionären abgeholt werden:

Beethovens Mondschein Sonate, dargeboten von Wilhelm Kempff



Jetzt "klingelt" es gewiss bei dem einen oder anderen von Ihnen und Sie brauchen auch heute nicht Google zu bemühen ;-)

Rätselfrage:
Wie heißt die gesuchte politische Schriftstellerin [oder sollte ich besser schreiben schriftstellernde Politikerin ?] ???
1890 mal gelesen
Falkin - 29. Sep, 12:00

Hm... fängt der Vorname mit R an und endet der Nachname mit G? ... ;)

Bubi40 - 29. Sep, 13:02

die frage würde ich auch so stellen ...
doch ich bin mir ziemlich sicher ...
eigentlich nicht nur ziemlich ...
... ,-))) ...
Falkin - 29. Sep, 13:08

yepp. Dito. Hatte nur Sorge, dass ich hier Hausverbot erteilt bekomme, wenn ich mehr als zwei Buchstaben löse ;))
Kienspan - 29. Sep, 13:29

wusste gar nicht, dass die "Steueroase" einen Vornamen hat... ; )
Teresa HzW - 29. Sep, 14:28

@Falkin u Rätselfreunde

Hm... oder ist es xxxxa Lxxxxg ;-)))

Wenn`S`doch no so nätt san und schreiba`d`n Nama hi... ;-)

Allerdings: Ich bin mir scho sicher, dass Sie ihn haben, den Namen der Gesuchten, liebe Falkin mit den Adleraugen :-))

Später mehr.... etza muass I zuri macha und zruck in da Woibearg... :-)
Falkin - 29. Sep, 15:36

Rosa Luxemburg, liebe Teresa ;)
Bubi40 - 29. Sep, 16:07

vielleicht eine anmerkung aus meiner persönlichen erfahrung ...
auf der alljährlichen gedenkfeier für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (das jahr weiß ich nicht mehr) trugen einige junge menschen ein plakat mit sich, auf dem sie den satz von Rosa Luxemburg geschrieben hatten : "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden". sie wurden auf offener szene von den allgegenwärtigen " Mielke - Bütteln " verhaftet und erst einmal eingesperrt.
Rosa Luxemburg wäre in den zeiten des "real existierenden Sozialismus" (mit sicherheit)* als dissidentin dauergast im Mielke - Knast gewesen.
* ein in der ddr oft benutzter doppelsinniger begriff, der mit dem Ministerium für Staatssicherheit unter Mielkes leitung zu tun hatte.
dank an teresa für Beethoven und Kempff ... eine wunderbare aufnahme. die musik passt natürlich zu der frau ...
ich würde gern, da die gesuchte eine geborene polin ist, ein weiteres musikstück anfügen wollen. es kann ja wieder gelöscht werden ...

Frederic Chopin,
Revolutionsetüde
Svjatoslav Richter

Teresa HzW - 29. Sep, 20:07

@Falkin

Auf die Siegerin des heutigen Tages erhebe ich ein Glas Schillerwein: Auf Ihr Wohl, liebe Falkin!

Sie sind echt pfeilschnell ;-)))
[jetzt bin ich natürlich gespannt, ob Sie morgen den Hattrick machen ;-)))]
Teresa HzW - 29. Sep, 20:31

@Kienspan

Jaja, ich seh schon, Sie hätten`s auch gewusst, aber die Falkin war halt einfach schneller, lieber Kienspan ;-)))
Teresa HzW - 29. Sep, 22:32

@Bubi40

Ihre Ausführungen sind eine enorme Bereicherung in meinem Blog, lieber Josef. Denn wer [aus dem Westen] weiß schon, was sich zu DDR-Zeiten auf der anderen Seite des Eisernen Vorhang wirklich abspielte. Wer keinen Kontakt nach drüben hatte, weiß nichts. Von einigen, die Verwandte im Osten hatten, weiß ich wiederum: "Das Leben der anderen" war im wahrsten Sinne des Wortes tabu. Darüber wurde und wird nicht gesprochen.

Das Musikstück passt gut hierhin. Darin drückt sich die ganze Dramatik eines Umbruchs aus...
Einen Kommentar zu löschen, kam mir noch nie in den Sinn [da sich hier bisher alle gemäß der "Netikette" verhielten].
Bubi40 - 30. Sep, 02:53

selbstredend war das leben des anderen für jeden "normalen" bürger tabu ... nicht aber für die STASI ... ,
und wenn ein staat den anspruch erhebt im besitz der einzigen wahrheit zu sein, und als staat über legislative, exekutive und judikative verfügt, wird es für andersdenkende und mehr noch für andershandelnde kein pardon geben. ich weiß wovon ich spreche; nach dem mauerbau bin ich wegen meines protestes von der Humboldt-Universität exmatrikuliert worden, und mir graut noch heute, wenn ich an den "hexenprozess" denke, den ich habe über mich ergehen lassen müssen.
Teresa HzW - 30. Sep, 11:19

Lieber Josef, da schnürt`s mir die Kehle zu, wenn ich das lese!

Es ist unglaublich, was der Mensch in seinem Leben oft auszuhalten hat. Seltsamerweise empfindet man manches im Leben erlittene Unrecht erst mit dem Abstand der Jahrzehnte als "unfassbar" oder "Qual" [jedenfalls geht es mir so], dass ich mich frage: "Wie war man zum erlittenen Zeitpunkt überhaupt in der Lage, das auszuhalten!"
Robert (Gast) - 29. Sep, 12:20

Politische Aktualität und Rätsel in einem das gefällt.
Die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms ist durch: 523 Abgeordnete stimmten dafür, 85 dagegen, nur drei Enthaltungen.

Teresa HzW - 29. Sep, 20:18

@Robert

Dabei hatte ich das zunächst in der Form gar nicht beabsichtigt, lieber Robert; es ist schon erstaunlich, wie einen manchmal die Ereignisse einholen :-o
[den Text hatte ich schon am Sonntag heraus gesucht]

Vielen Dank Ihnen für die schnelle Info zum Abstimmungsergebnis.
steppenhund - 29. Sep, 15:29

Fiat Lux!

Teresa HzW - 29. Sep, 20:02

@Steppenhund

Ergo bibamus in honorem FALCONIS, o meo cane!
:-)))

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