Bachmannpreis 1.Tag - 5.Lesung
14:15 Uhr - Antonia Baum (D, Jg 1984)
Vollkommen leblos, bestenfalls tot
Die Frauen beschliessen den ersten Tag des Wettbewerbs, auftritt eine ebenfalls junge, sympathisch wirkende Frau.
Antonia Baum lässt mich sofort aufhorchen mit ihrem ersten Satz: „Die Stadt hat viele Städte in sich, aber bei Nacht ist sie eine andere, man geht in ihren Bauch.“
Ein starker Satz. Ein Aufmerksamkeit weckender Satz! Da ist Leserin gespannt auf mehr, auf das was folgt.
Wird der Rest des Textes das Versprechen dieses ersten Satzes einlösen?
Familien sind übergriffig, ansteckend sind sie, denke ich. Unten kreischt Astrid. Astrid, die sich ohne nachzudenken an meinen Vater drangeheiratet hat, schreit auf ihn ein, der gerade von irgendwoher zurückgekommen ist und sowieso nicht zuhört, wer ernsthaft denkt, Götz höre zu, muss im Kopf vollkommen verstellt sein, denke ich, vor dem Hitler-Stalin-Pakt sitzend. Sie streiten lauter, ich sollte runter gehen und um Ruhe bitten....
Der Einstieg in diesen Gedankengang – ins Innere der Familie der Hauptfigur ist gut, aber was hat der „Hitler-Stalin-Pakt“ hier verloren? Das iriitiert mich? Kommt da noch was? Eine doppeldeutige gar doppelbödige Parallele zu dieser dunklen Geschichte? Weil die Autorin sie hier ziemlich weit vorne im Text bemüht? Eine dramatische Familiengeschichte, gezeichnet von Flucht und Vertreibung aus Polen? Aus Gallizien? Eine Umsiedlung aus Czernowitz? Welche Teile aus dem Hitler-Stalin-Pakt dröselt die Autorin in der weiteren Folge ihres Textes auf? Gibt es ein Familiengeheimnis?
Fragen, die mir bei diesem Folgen schweren Geschichtsvergleich durch den Kopf schießen.
Doch meine Aufmerksamkeit wird auf einen anderen Satz gelenkt: "Systematisch hat Astrid das Haus mit der Buchdeckel-Beistelltisch-Bilderrahmen-Einrichtungsglasur überzogen, dem dickflüssigen Einrichtungssirup, der Schuld daran ist, dass man hier nur in Zeitlupe gehen kann, denn man ist ja an dem Einrichtungssirup festgeklebt und hat also die größte Mühe sich zu bewegen. In unserem Bewegung verunmöglichenden Haus klebt aber nicht nur die ganze Einrichtung, es klebt auch die Luft, die Hausluft, in der wir uns täglich aufzuhalten haben, ist ein grauer Kleister, durch den jedes Wort schwer und ewig fällt, ein Kleister, in dem jedes Wort auszusprechen weh tut, weil man es jahrelang fallen und andere erschlagen hört, ein Kleister, durch den man sich aggressiv durchkämpfen muss, anders kommt man nicht vom Fleck.
Nach acht Leseminuten, um 14:28 Uhr, versuche ich zu fassen, was der Text schildert: Die Rivalität zweier Frauen? Zwischen Tochter und zweiter Frau ihres Vaters, die die Ich-Protagonistin, aus dem Innenleben ihrer Familie erzähl? Es wird deutlich: Die Protagonistin mag die andere Frau nicht. Eifersucht? Nein, ich denke, es ist einfach ein „nicht mögen“.
14:30 Uhr - Irgendetwas stört mich zunehmend. Ist es der Plauderton, in den die Autorin zwischenzeitlich verfällt?
Die viel versprechend begonnene Geschichte mündet zunehmend in eine typische Twenty-Something-Story: Der Blick in das gestörte Innenleben einer Familie. Das Geplauder aus dem Leben einer Schülerin.
Dieses Geplauder nervt mich von Minute zu Minute mehr und schadet der eigentlichen Geschichte.
Es wird auch zu wenig deutlich, warum die Protagonistin eine Beziehung mit Patrick eingeht?
14:35Uhr - Oh, oh, der Text beginnt böse abzustürzen!
Wenn man sich am Hitler-Stalin-Pakt versucht, ihn als Parallele heranziehen möchte, dann darf das nicht so ausgehen wie hier. Es wird überdeutlich: Die Autorin weiß nichts über den Hitler-Stalin-Pakt.
Sie hat nicht einmal recherchiert. Peinlich. Das wird jedem deutlich, der dies liest.
Wie kommt so jemand in die Auswahl und zur Ehre in Klagenfurt eingeladen zu werden? Was will die Jury oder der Juror, der sie eingeladen hat, damit zeigen?
Oder soll die junge Autorin hier vorgeführt werden? Stellvertretend für eine junge Generation, die nichts mehr über die jüngere Geschichte weiß?
Lesen Sie selbst und bilden sich Ihr Urteil:
Ich atme und stehe und gehe zurück zum Schreibtisch und dem Hitler-Stalin-Pakt, vor den ich mich setze, um weiter zu machen. Ich lese, ich notiere, ich kriege Kopfschmerzen und darf nicht denken. Nur noch heute Abend und morgen denke ich nicht, dann wird für immer Schluss sein mit dem blödsinnigen Auswendiglernen von Pakten, denke ich. Und es wird vor allem für immer Schluss sein mit allem anderen, was viel schlimmer ist, denke ich und starre auf den Hitler-Stalin-Pakt. Es wird Schluss sein mit der Angst-Anstalt, der Terror-Anstalt, der Schule, auf deren Terror-Fluren immer Angst vor der Zukunft verbreitet wurde, die ich dann auch bekam, je länger ich über die fensterlosen Terror-Flure habe gehen müssen, desto mehr Angst bekam ich, aber am größten war die Angst, die verbreitet wurde in den Klassenzimmern, den Angstzentralen, in die die Terror-Flure geradewegs geführt haben. In den Klassenzimmern haben sie uns jahrelang terrorisiert mit ihren Einschüchterungs-Parolen über die Zukunft und über Berufe mit beziehungsweise ohne Zukunft und wenig Zeit, das haben sie immer wieder gesagt, dass wir keine Zeit haben und uns beeilen müssen mit den Versetzungen, die zu einem schnellen Abitur, zu einem Abitur in zwölf Jahren, führen, für das wir gute Noten und einen guten Schnitt erwirtschaften müssen und danach sofort den Bachelor und dann den Master anfangen beziehungsweise bereits beendet haben müssen, ohne Zeit zu verlieren, wie sie im Zukunftsunterricht uns immer wieder vermittelt haben und Zukunftsbroschüren haben sie ab der dritten Klasse fast täglich verteilt und den Zukunftsuntericht haben sie erteilt in Arbeitsmarkt, Ausland, Disziplin, Flexibilität, Praktika, Wirtschaftskrise und diese Zukunfts-Besessenheit, denke ich jetzt vor dem Hitler-Stalin-Pakt sitzend, muss sich die gesamte Lehrerschaft aus der Zeitung angelesen haben oder sie hat sie von irgendwelchen Ministerien ins Ohr gesetzt bekommen, ja, denke ich, die gesamte Lehrkörperschaft muss einen kranken Zukunfts-Floh im Ohr sitzen haben, jedenfalls, habe ich zu meiner Freundin Lisa oft gesagt, bekommt man von diesem Dorf nicht von alleine so eine nervöse Zukunfts-Krankheit wie die Lehrkörper sie haben, wo doch hier gar nichts Zukunft ist, sondern immer alles gleich und langsam, habe ich weiter zu Lisa gesagt, die mit den Achseln gezuckt hat, die schon immer nur mit den Achseln gezuckt hat, erinnere ich mich jetzt, vor dem Hitler-Stalin-Pakt.
Herr Wolf war derjenige, dessen Lehrkörper am schlimmsten von der Zukunfts-Krankheit befallen war und der den größten Aufwand betrieben hat, sie auf uns zu übertragen.
14:40 Uhr - Der Text ist mittlerweile im freien Fall.
Nicht nur wegen des dahin gurgelnden Plaudertons, sondern wegen der galoppierenden Inkompetenz in deutscher Geschichte.
Wie tief würde die deutschsprachige Literatur sinken, wenn Autoren für Texte Preise erringen, in denen Geschichts-Zusammenhänge nicht richtig verstanden werden: Hitler hätte Techno hören wollen und Techno für das ganze Land verordnet, so auch meine ehemaligen Lehrkörper, sie müssen alle Techno gehört haben, als ihnen ihre desinfizierten Standardisierungseinfälle kamen, auch Götz, vermutlich ein geheimer Techno-Hörer. Techno, denke ich, während die Musik anschwillt und die Trampelabstände dichter werden, die Musik der absichtlich Schwachsinnigen, die nichts interessiert, die nichts mehr versuchen, außer ihr Technogebet, denke ich und robbe getreten über den Boden, wo ich meine Zähne einsammele, die ich gleich als Pillen zu verkaufen beschließe, wenn es mein Gesundheitszustand noch zulassen sollte.
Da verwechselt jemand die Geschichtsfakten. Der Text tut nur noch weh und wird mir je länger diese Autorin liest, umso ärgerlicher und unerträglicher.
Ich bin schwer enttäuscht. Von Text und Autorin und gespannt auf das Urteil der Jury.
Auch die Kritik verreisst den Text, freundlich mag da noch folgendes Urteil von Hubert Winkels sein: „Ein Text wie ein Rapgesang.“
Burkhard Spinnen spricht aus, was viele Juroren in ihrer Kritik mit andeuten: „Unter Lektoratsaspekten ist der Text schwer reparaturbedürftig.“
Sorry, aber wer hat den Text und seine Autorin nochmal vorgeschlagen? Wie kann man das durchgehen lassen? Einen solchen Text auf die Spur von Ingeborg Bachmann setzen zu wollen?
Manche Juroren sehen hier den „Gebrauch von Thomas Bernhard-Sätzen“.
Ich bin noch mehr entsetzt.
Bin ich hier im absurden Theater?
2165 mal gelesen
Vollkommen leblos, bestenfalls tot
Die Frauen beschliessen den ersten Tag des Wettbewerbs, auftritt eine ebenfalls junge, sympathisch wirkende Frau.
Antonia Baum lässt mich sofort aufhorchen mit ihrem ersten Satz: „Die Stadt hat viele Städte in sich, aber bei Nacht ist sie eine andere, man geht in ihren Bauch.“
Ein starker Satz. Ein Aufmerksamkeit weckender Satz! Da ist Leserin gespannt auf mehr, auf das was folgt.
Wird der Rest des Textes das Versprechen dieses ersten Satzes einlösen?
Familien sind übergriffig, ansteckend sind sie, denke ich. Unten kreischt Astrid. Astrid, die sich ohne nachzudenken an meinen Vater drangeheiratet hat, schreit auf ihn ein, der gerade von irgendwoher zurückgekommen ist und sowieso nicht zuhört, wer ernsthaft denkt, Götz höre zu, muss im Kopf vollkommen verstellt sein, denke ich, vor dem Hitler-Stalin-Pakt sitzend. Sie streiten lauter, ich sollte runter gehen und um Ruhe bitten....
Der Einstieg in diesen Gedankengang – ins Innere der Familie der Hauptfigur ist gut, aber was hat der „Hitler-Stalin-Pakt“ hier verloren? Das iriitiert mich? Kommt da noch was? Eine doppeldeutige gar doppelbödige Parallele zu dieser dunklen Geschichte? Weil die Autorin sie hier ziemlich weit vorne im Text bemüht? Eine dramatische Familiengeschichte, gezeichnet von Flucht und Vertreibung aus Polen? Aus Gallizien? Eine Umsiedlung aus Czernowitz? Welche Teile aus dem Hitler-Stalin-Pakt dröselt die Autorin in der weiteren Folge ihres Textes auf? Gibt es ein Familiengeheimnis?
Fragen, die mir bei diesem Folgen schweren Geschichtsvergleich durch den Kopf schießen.
Doch meine Aufmerksamkeit wird auf einen anderen Satz gelenkt: "Systematisch hat Astrid das Haus mit der Buchdeckel-Beistelltisch-Bilderrahmen-Einrichtungsglasur überzogen, dem dickflüssigen Einrichtungssirup, der Schuld daran ist, dass man hier nur in Zeitlupe gehen kann, denn man ist ja an dem Einrichtungssirup festgeklebt und hat also die größte Mühe sich zu bewegen. In unserem Bewegung verunmöglichenden Haus klebt aber nicht nur die ganze Einrichtung, es klebt auch die Luft, die Hausluft, in der wir uns täglich aufzuhalten haben, ist ein grauer Kleister, durch den jedes Wort schwer und ewig fällt, ein Kleister, in dem jedes Wort auszusprechen weh tut, weil man es jahrelang fallen und andere erschlagen hört, ein Kleister, durch den man sich aggressiv durchkämpfen muss, anders kommt man nicht vom Fleck.
Nach acht Leseminuten, um 14:28 Uhr, versuche ich zu fassen, was der Text schildert: Die Rivalität zweier Frauen? Zwischen Tochter und zweiter Frau ihres Vaters, die die Ich-Protagonistin, aus dem Innenleben ihrer Familie erzähl? Es wird deutlich: Die Protagonistin mag die andere Frau nicht. Eifersucht? Nein, ich denke, es ist einfach ein „nicht mögen“.
14:30 Uhr - Irgendetwas stört mich zunehmend. Ist es der Plauderton, in den die Autorin zwischenzeitlich verfällt?
Die viel versprechend begonnene Geschichte mündet zunehmend in eine typische Twenty-Something-Story: Der Blick in das gestörte Innenleben einer Familie. Das Geplauder aus dem Leben einer Schülerin.
Dieses Geplauder nervt mich von Minute zu Minute mehr und schadet der eigentlichen Geschichte.
Es wird auch zu wenig deutlich, warum die Protagonistin eine Beziehung mit Patrick eingeht?
14:35Uhr - Oh, oh, der Text beginnt böse abzustürzen!
Wenn man sich am Hitler-Stalin-Pakt versucht, ihn als Parallele heranziehen möchte, dann darf das nicht so ausgehen wie hier. Es wird überdeutlich: Die Autorin weiß nichts über den Hitler-Stalin-Pakt.
Sie hat nicht einmal recherchiert. Peinlich. Das wird jedem deutlich, der dies liest.
Wie kommt so jemand in die Auswahl und zur Ehre in Klagenfurt eingeladen zu werden? Was will die Jury oder der Juror, der sie eingeladen hat, damit zeigen?
Oder soll die junge Autorin hier vorgeführt werden? Stellvertretend für eine junge Generation, die nichts mehr über die jüngere Geschichte weiß?
Lesen Sie selbst und bilden sich Ihr Urteil:
Ich atme und stehe und gehe zurück zum Schreibtisch und dem Hitler-Stalin-Pakt, vor den ich mich setze, um weiter zu machen. Ich lese, ich notiere, ich kriege Kopfschmerzen und darf nicht denken. Nur noch heute Abend und morgen denke ich nicht, dann wird für immer Schluss sein mit dem blödsinnigen Auswendiglernen von Pakten, denke ich. Und es wird vor allem für immer Schluss sein mit allem anderen, was viel schlimmer ist, denke ich und starre auf den Hitler-Stalin-Pakt. Es wird Schluss sein mit der Angst-Anstalt, der Terror-Anstalt, der Schule, auf deren Terror-Fluren immer Angst vor der Zukunft verbreitet wurde, die ich dann auch bekam, je länger ich über die fensterlosen Terror-Flure habe gehen müssen, desto mehr Angst bekam ich, aber am größten war die Angst, die verbreitet wurde in den Klassenzimmern, den Angstzentralen, in die die Terror-Flure geradewegs geführt haben. In den Klassenzimmern haben sie uns jahrelang terrorisiert mit ihren Einschüchterungs-Parolen über die Zukunft und über Berufe mit beziehungsweise ohne Zukunft und wenig Zeit, das haben sie immer wieder gesagt, dass wir keine Zeit haben und uns beeilen müssen mit den Versetzungen, die zu einem schnellen Abitur, zu einem Abitur in zwölf Jahren, führen, für das wir gute Noten und einen guten Schnitt erwirtschaften müssen und danach sofort den Bachelor und dann den Master anfangen beziehungsweise bereits beendet haben müssen, ohne Zeit zu verlieren, wie sie im Zukunftsunterricht uns immer wieder vermittelt haben und Zukunftsbroschüren haben sie ab der dritten Klasse fast täglich verteilt und den Zukunftsuntericht haben sie erteilt in Arbeitsmarkt, Ausland, Disziplin, Flexibilität, Praktika, Wirtschaftskrise und diese Zukunfts-Besessenheit, denke ich jetzt vor dem Hitler-Stalin-Pakt sitzend, muss sich die gesamte Lehrerschaft aus der Zeitung angelesen haben oder sie hat sie von irgendwelchen Ministerien ins Ohr gesetzt bekommen, ja, denke ich, die gesamte Lehrkörperschaft muss einen kranken Zukunfts-Floh im Ohr sitzen haben, jedenfalls, habe ich zu meiner Freundin Lisa oft gesagt, bekommt man von diesem Dorf nicht von alleine so eine nervöse Zukunfts-Krankheit wie die Lehrkörper sie haben, wo doch hier gar nichts Zukunft ist, sondern immer alles gleich und langsam, habe ich weiter zu Lisa gesagt, die mit den Achseln gezuckt hat, die schon immer nur mit den Achseln gezuckt hat, erinnere ich mich jetzt, vor dem Hitler-Stalin-Pakt.
Herr Wolf war derjenige, dessen Lehrkörper am schlimmsten von der Zukunfts-Krankheit befallen war und der den größten Aufwand betrieben hat, sie auf uns zu übertragen.
14:40 Uhr - Der Text ist mittlerweile im freien Fall.
Nicht nur wegen des dahin gurgelnden Plaudertons, sondern wegen der galoppierenden Inkompetenz in deutscher Geschichte.
Wie tief würde die deutschsprachige Literatur sinken, wenn Autoren für Texte Preise erringen, in denen Geschichts-Zusammenhänge nicht richtig verstanden werden: Hitler hätte Techno hören wollen und Techno für das ganze Land verordnet, so auch meine ehemaligen Lehrkörper, sie müssen alle Techno gehört haben, als ihnen ihre desinfizierten Standardisierungseinfälle kamen, auch Götz, vermutlich ein geheimer Techno-Hörer. Techno, denke ich, während die Musik anschwillt und die Trampelabstände dichter werden, die Musik der absichtlich Schwachsinnigen, die nichts interessiert, die nichts mehr versuchen, außer ihr Technogebet, denke ich und robbe getreten über den Boden, wo ich meine Zähne einsammele, die ich gleich als Pillen zu verkaufen beschließe, wenn es mein Gesundheitszustand noch zulassen sollte.
Da verwechselt jemand die Geschichtsfakten. Der Text tut nur noch weh und wird mir je länger diese Autorin liest, umso ärgerlicher und unerträglicher.
Ich bin schwer enttäuscht. Von Text und Autorin und gespannt auf das Urteil der Jury.
Auch die Kritik verreisst den Text, freundlich mag da noch folgendes Urteil von Hubert Winkels sein: „Ein Text wie ein Rapgesang.“
Burkhard Spinnen spricht aus, was viele Juroren in ihrer Kritik mit andeuten: „Unter Lektoratsaspekten ist der Text schwer reparaturbedürftig.“
Sorry, aber wer hat den Text und seine Autorin nochmal vorgeschlagen? Wie kann man das durchgehen lassen? Einen solchen Text auf die Spur von Ingeborg Bachmann setzen zu wollen?
Manche Juroren sehen hier den „Gebrauch von Thomas Bernhard-Sätzen“.
Ich bin noch mehr entsetzt.
Bin ich hier im absurden Theater?
Teresa HzW - 7. Jul, 20:05 - Rubrik Widerworte
Ich vermute aber, es verhält sich so wie in der Musik: das Wettbewerbswesen ist auch in der Artistik nicht mehr als eine sich etwas besser dünkende DSDS-Show. Bei der Musik wird zwar noch Technik sehr bewertet, die Musikalität geht oft im Verfolgen der möglichst imponierenden Technik unter.
Bei Texten wird die versuchte Originalität zu einer typischen Kunstform: Scheiße und 34 Variationen.
Vielleicht sind die Künstler aber gar nicht schuld. Vielleicht fehlt wirklich der dramatische Lebensbezug, die Angst um den Geliebten, die existentielle Angst, die Furcht vor Gewalt und unvorhergesehenen Schicksalsschlägen. Die hatte die Bachmann ja noch greifbar vor sich. Auch ein Werfel wusste, wovon und warum er schrieb. (Muss ich sagen, weil ich gerade Alma in Prag gesehen habe.) Mit Ausnahme des Schatzgräbers (dessen Sujet ich allerdings auch nur beschmunzeln kann. Da könnte heute ein Kusenberg noch zehn davon einstecken.) beklagen alle ein Dasein, dass in Wirklichkeit in ihrer eigenen Befangenheit ruht.
Aber schreiben muss man. Ich bin unfair. Vielleicht ist es gerade die Notwendigkeit, diese Dinge zu beschreiben, die die Dringlichkeit der künstlerischen Ausprägung darstellt.
Also wenn ich mir diese Texte hernehme, wäre ich sofort veranlasst, selber etwas Besseres zu schreiben. Da ich aber in der Regel andere Bücher lese, nehme ich gleich wieder Abstand. Denn da gibt es weitaus Berufenere als mich.
Dabei gibt es so viele gute AutorInnen. Wenn ich mir die Texte mancher Blog-Autoren ansehe, hielten die jedem Vergleich und jeder Kritik, die ich heute mit anhörte, Stand.
Einige Texte der früheren Bachmann-Wettbewerbs-Tage waren gut, ohne dass Katastrophen, Krankheiten, der Tod oder der Untergang der Welt herauf beschworen werden mussten. Ich erinnere mich noch gut an den humorvollen Text aus dem "Kaiser von China", an das "Zimmermädchen" oder einen Text, der das Geschehen und die Schrullen seiner Bewohner in einem Mietshaus hervorragend persiflierte. Alles Texte oder Textideen, die ohne dramatische Lebensbezüge auskamen, durch treffende Sprachbilder und gelungenen Stil oder eine ganz eigene Stimme brillierten.
Nur seit vergangenem Jahr feiert das Weltuntergangsszenario in Klagenfurt fröhliche Ur-Ständ. Und das ärgert mich, weil ich fast wetten könnte, dass gewiss andere gute Texte in den Bewerbungsstapeln lagen.
Und das weckt wirklich den Eindruck, auch in Klagenfurt ginge es nur noch um die Show. Ihr Verweis zu DSDS stieg im selben Moment vor mir auf, als ich Ihren Kommentar las ;-)
Allerdings verstehe ich Ihr Gesamturteil dann nicht so ganz. Vielleicht hänge ich Erwartungen immer besonders tief, aber ich finde, wenn Ihnen von fünf Texten einer außerordentlich gut gefällt, dann ist das ein verdammt guter Schnitt - ist vielleicht kein guter Vergleich, aber stellen Sie sich vor, sie würden in einer Bibliothek (oder auch Antiquariat, um die besser abgehangenen Bücher zu bevorzugen) zufällig fünf Titel herausnehmen...
Daher fand ich's bisher nicht so schlimm (den Text von Antonia Baum schon, aber den hab ich auch noch nicht ganz "genossen")
@Phorkyas
Nach drei Tagen Lese-Marathon [bitte sehen Sie mir daher nach, wenn ich Ihnen erst heute auf diesen Kommentar antworte] kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass aus „Wettbewerbs-Strategie“ oder „Auswahl-Taktik“ die einen Texte erniedrigt werden, um dadurch andere erhöhen zu können. Drei, vier mangelhafte Texte bewusst am ersten Tag rangenommen und aufgrund der Mängel zu recht kritisiert – gar nieder gemacht, erhöht automatisch den Wert der Texte, die noch übrig bleiben und damit auch deren Preis-Chance.
Ansonsten: Unser hohe Geschmacksübereinstimmung, sofern Sie Ihre Meinung nicht geändert haben, ist ja beinahe ein Wunder, nachdem es immer heißt: „Zwei Menschen vier Meinungen.“ ;-)