Früher Frust

Gerade eben habe ich den ersten Geltinger-Text noch einmal nachgelesen und die Diskrepanz zwischen erstem Zuhören und Lesen ist auffällig. Es lohnt sich, die Texte erst in Ruhe durchzulesen, bevor man über sie urteilt. Trotzdem ist die Mühe der spontanen, schreibenden Begleitung der gesamten gestrigen Beiträge natürlich bewundernswert. Mir hat die "Rettung einer Kindheitserinnerung" trotz fäkalsprachlichen Einsprengseln nachträglich gefallen, der stotternde Vortrag irritierte. Gerade der Gegensatz zwischen derber bäuerlicher Gutshofatmosphäre und den frostigen Naturmetaphern finde ich spannend. Ich glaube, dass der Text auch autobiographisch geprägt ist. Die Umsetzung durch verschiedene Erinnerungsperspektiven, unterschiedliche Erzählebenen, Schreibperspektive und Jungensicht fand ich auch gelungen. Eine Mutter-Kind-Beziehung zu beschreiben, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, davor gebührt dem Autor Respekt. Überhaupt kann ich den Frust des ersten Tages zwar verstehen, aber alle Texte enthielten interessante Ansätze und die "Autorenschelte" ist eigentlich unangebracht. Man muss nicht jeden Text gut finden und kann ihn auch literarisch sezieren, aber zunächst einmal ist der Versuch zu machen, dem Schreibenden Verständnis entgegen zu bringen. Aber leider geht es auch in Klagenfurt ja um Gewinner. Alle anderen werden schnell vergessen.
Die Aufregung über den "Hitler-Stalin-Pakt" halte ich für übertrieben. Soweit ich mich erinnere geht es in der Geschichte um eine Zweierbeziehung und deren Charakter. Die Autorin hat Geschichte studiert und stellt nur eine Art Vergleich mit dem auf dem Schreibtisch liegenden Manuskript über den "Hitler-Stalin-Pakt" und der männlich geprägten Beziehungsstruktur her, die ähnlich wie Tekno-Rhythmen als hart, stählern und unterschwellig monoton empfunden wird. Ein Geschichtsseminar darf man an dieser Stelle nicht erwarten. So, nun habe ich ein wenig meine Meinung skizziert, hoffe aber Sie nicht brüskiert zu haben, was absolut nicht meine Absicht ist. Ich verfolge Ihre Einlassungen sehr gern.

Teresa HzW - 8. Jul, 09:49

Wirkungsforschung – nicht Frust :-)

Meine Lese-"Rezeption" ist eine Art Wirkungs-„Forschung“, lieber Bücherblogger. Die Untersuchung der Fragen: Wie wirkt ein Text auf eine Leserin. Was löst das Vor-lesen, Vor-Tragen im Augenblick des ersten Ohren- oder Augen-Kontakts in einem aus. Wie verändert sich diese Wirkung im Laufe der Lesung. Was verändert der Text in einem. Welche Gefühle, welche Fragen löst er aus. Welche Sätze faszinieren. Welche Worte wecken Aufmerksamkeit. An welchen Ausführungen stösst man sich…

Darum geht es bei mir.
Ich beobachte mich selbst in jedem Augenblick der "Text-Berührung" und beschreibe diese [Aus]Wirkungen lediglich.

Ich analysiere nicht.
Das ist bei der ersten Spontan-Begegnung mit einem vor-gelesenen Text, von dem man nichts weiß, gar nicht möglich.

Die Reflektion kann erst später einsetzen: Nach nochmaligem Lesen, nach längerem Überlegen, ggf. auch erst nach einmal drüber schlafen.

Daher freue ich mich sehr über die Einlassungen in Ihrem Kommentar hier!
Sie zeigen, wie die Wirkungen, wie die Beschäftigung mit einem Text weiter geht bzw. weitergehen kann.
Sie zeigen, welche Nachdenk-Prozesse nach dieser ersten Textwirkung, auf die ich mich – wie gesagt – konzentriere, in Gang kommen [können]. Das ist toll. Es ist die andere Seite der Rezeptions-Medaille.

Lieber Bücherblogger, es fällt mir schwer, jetzt und an dieser Stelle nicht in die Reflektion über die Texte, v.a. den letzteren Lesungstext, zu gehen. Regelrecht auf die Zunge muss ich mich beißen, um selbige zu hüten. Wie gern würde ich jetzt mit Ihnen und auch den anderen Leser-innen anfangen, zu diskutieren. Ich werde mir dies für einen späteren Zeitpunkt aufheben.

Gleich geht das Vor-Lesen in Klagenfurt wieder los und ich verschwinde in der Lese-Aura vor dem Fernseher. Bis später, wir lesen uns ;-)

Für die anderen Leser-innen: Die Vorbemerkung zu meiner Herangehensweise meines kleinen Wirkungs-Forschungs-Experiments beim Bachmann-Wettbewerb 2011 können Sie nachlesen unter
http://wiederworte.twoday.net/stories/bachmannpreis-2011/
Angela Leinen (Gast) - 12. Jul, 18:18

Oft ungerecht, von der Vortragsweise auf den Text zu schließen, deshalb ist es gut, dass die Juroren die Texte vorher haben und die Autoren sie deshalb nur noch schwer kaputtlesen können.
Geltigern ist tatsächlich Stotterer, und wer "The Kings Speech" gesehen hat, wird einige Strategien wiedererkannt haben. Ich habe ihm gerne zugehört, ist mir lieber als allzu gewollte Theatralik.
Angela Leinen (Gast) - 12. Jul, 18:20

Zu schnell getippt

(Schreibe zehn mal Geltinger, Geltinger, Gelt...
Teresa HzW - 15. Jul, 18:28

@Angela Leinen

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Dadurch bin ich auf Ihr interessantes Blog gestoßen und konnte nachträglich ein wenig Live-Atmosphäre aus Klagenfurt mit nehmen. Ihr Blog habe ich gern meiner Bachmann-Blogliste hinzugefügt, hier>>> http://wiederworte.twoday.net/stories/andere-bachmann-blogs/

Es ist gewiss ein anderer Eindruck live dabei zu sein, die Autoren auch persönlich zu erleben, ggf. sogar mit Ihnen ins Gespräch zu kommen; Ihre Erkenntnis, dass es durch die vor-ort-Nähe zu Mensch und Text schwieriger wird, kritisch zu bleiben, ist doch gerade die Herausforderung einer Live-vor-Ort-Berichterstattung.
Eine beneidenswerte Erfahrung, die Sie da machen konnten und die mich inspiriert und ins Grübeln bringt: vielleicht fahre ich doch kommendes Jahr auch mal hinunter an den schönen Wörther See, um diese Atmosphäre einzuatmen ;-)

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