Der Waldkobold
Heut Nacht hat`s mi wieder "druckt", die Drud, das Waldhexenweiberl. Hat sich aaf mein Oberkörper g`hockt und hat mi "druckt", mir den Hals zugedrückt, dass ich keine Luft mehr kriagt hob. Hat mich packt an de Schultern und gschüttelt. Hat mich gwürgt, dass ich kaum noch Luft kriagt hob. Hat mir mit ihrem fauligen Atem ins Gsicht eine g`haucht, dass mir ganz anders woarn is.
Im Schein der Straßenlampe ist ihre grauslige Gestalt wie ein Schatten über meine Zimmerwände gehuscht.
Am Fenster sah ich davor schon die andern vorbei schleichen: die Waldgeister, vermummte Gestalten in Ziegen- und Schaffelle, mit ellenlange, gwundene Hörner auf`m Kopf. Trommelt ham`s und gscheppert mit ihrane Glockn. Und haben ihn mitgebracht den Wildesten von allen, auf seinem Schemel aus neunerlei Hoiz.
Ein greller Blitz zuckte übern Himmel und ein heftiger Donner setzte dem Getöse draußen ein jähes Ende. Wie ein unheimlicher Kobold saß er auf einmal da, auf seinem Schemel, der "Mühlhiasl". Um seinen Kopf mit den buschigen, zerzausten Haaren tanzten die Himmelslichter. Und nacha hat er o`gfanga mit seine Gschicht, mit seine Weissagungen vom groaßn "Weltbänkeabräumen". Seine Stimme füllte meinen Raum, schlug gegen die Wände und zur Decke, bevor sie sich in meine Ohren bohrte:
"Eine Zeit wird kommen, wo alles drunter und drüber geht. Die armen Menschen müssens auf ihren Schultern tragen. Lug und Wahrheit wird der Beste nit mehr auseinander kennen und die Welt wird den Verstand verlieren. Kommen tut es in der Reih und dauert lange Jahr. Alleweil gscheiter werden die Leut und alleweil ungläubiger, das ist dann die erste Zeit. Wenn sich die Bauern kleiden wie die Stadtleut, wenn sie nimmer arbeiten wollen, wenn sie mit gewichsten Stiefeln in der Miststatt stehen, wenn man die Weiberleut wie die Geißn spürt und sie Köpf tragen wie die Besen, wenn die roten Hausdächer aufkommen, wenn auf den Straßn die weissen Gäns kommen, wenn die roten und blauen Hüt aufkommen, das ist die zweite Zeit. Eiserne Straßen werden in den Wald gebaut und grad vor Klautzenbach vorbei wird der eiserne Hund bellen. In die Schwarzach wird eine eiserne Straß gebaut, aber nit fertig werden. Alles wird voller Häuser und einmal werden die Brennessel aus den Fenstern wachsen. Wenn die Rabenköpf im Aussterben sind, dann kommt eine andere Zeit. Es wird gehen vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang. Die Leut werden aber immer mehr statt weniger. Sommer und Winter wird man nimmer auseinander kennen. Das Geld wird keinen Wert mehr haben, es wird zu Eisen. Um 200 Gulden wird man keinen Laib Brot mehr kriegen und es wird doch keine Hungersnot sein. Um einen Goldgulden kann man sich einen Bauernhof kaufen. Eines aber wird das andere nit mehr mögen. Jeder wird einen anderen Kopf haben. Die Zeit wird alleweil närrischer und die Leut werden in der Luft fliegen wie die Vögel. Ein großer weißer Vogel wird in den Wald kommen und das Unheil ankündigen. Der Wald aber wird licht werden wie des Bettelmanns Rock. Vom Hennerkobel bis zum Rachel wird man durch keinen Wald mehr gehen müssen. Das Holz wird teuer wie das Brot und die Leut werden im Wald frieren. Aber es langt noch. Die hohen Herren machen Steuern aus, die kein Mensch mehr zahlen wird. Der Antichrist wird auf der Welt sein und die Leut werden ihn nit kennen. In der Stadt wird alles drunter und drüber gehen und der Bruder wird seinen Bruder nit mehr kennen und die Mutter ihre Kinder nit. Die Leut werden aufs Land rennen und zum Bauern sagen, laß mich ackern. Der wird sie mit der Pflugreutn erschlagen. Wer feine Händ hat, wird aufgehängt. Die Zeit wird ihre Zeichen haben. Die Mannsbilder werden sich gewanden wie die Weiberleut und umgekehrt. Wird ein strenger Herr kommen und den Leuten die Haut abziehen. Ein großes Himmelszeichen wird es geben. Wenns so weit ist kommt das große Abräumen. Das eine Landl wird verheert und verzehrt, das andere Landl mit dem Besen ausgekehrt. Der Wald wird öd werden ohne Hunger und ohne Sterb. Über den Hennerkobel und über den Falkenstein werden sie kommen und rote Janker anhaben. Über Nacht wird’s geschehen. Die Leut werden aus dem Wald rennen. Wer`s überstehen will, muss einen eisernen Kopf haben. Die Leut werden krank, und niemand kann ihnen helfen. Wenn man auf dem Berg steht, wird man im ganzen Wald kein Licht mehr sehen.“
Blitze huschten ums Haus und ein großer Donner riss dem Kobold die Worte weg, ich verstand nur noch eins: "Sag`s Euren Kindern und Kindeskindern, dass sie es weiter sagen: Sie sollen sich hüten vor falschem Stolz und dem Hochmut, denn sie werden das ganze Unglück bringen. Sag`s ihnen: Es kann die Welt nit anders sein wie der Herrgott es will."
Draußen zuckten erneut die Blitze über den Himmel. Das Donnergrollen verzog sich in die Ferne. Ich nahm all meinen Mut zusammen, richtete meinen Blick gegen die Decke und fixierte dort den Schatten mit den zauseligen Umrissen.
"Wann wird das alles sein, Hiasl?" flüsterte ich.
"Du wirst es nit mehr erleben, aber Deine Kinder sehen den Anfang", krächzte der Waldprophet.
"Hiasl, woher woaßt Du des allas"“, verfiel ich in meinen Waldheimat-Dialekt.
"Abertausend Tag und Nacht hab ich übern Wald den Himmel, die Sterne, den Mond, die Berg und den Wind darüber befragt. Und dann hab ich es gewusst. Mir hat der Herrgott eine Gab gegeben, die hat mich über die Waldberge in den Himmel schauen lassen. Dort oben hat er mir alles aufgemalt."
"Hiasl, wann werd` des ois sei?" flüsterte ich atemlos.
"Zuerst kommen die vielen Jubiläen. Überall wird übern Glauben predigt. Kein Mensch kehrt sich mehr darum. Wenn der Johannestag und der Kranzltag zusammen fallen, dann geht’s los"
Eiskalt rann es mir den Rücken hinunter, ich atmete schwer, schnappte nach Luft, es war als drücke mir einer die Gurgel zu. Mir wurde geradewegs schwarz vor Augen, als draußen mit einem Donnerschlag ein Ohren betäubendes Brausen und Getöse anhob; der Wind fuhr um die Hausecken, rüttelte an Fensterläden und Dachschindeln. Wie im Fieberwahn war mir und ich zog mir die Bettdecke über den Kopf.
Als ich Stunden später schweiß gebadet erwachte, war er verschwunden, der Waldkobold, nur ein Stück Holzscheid, das ich unterm Fensterbrett fand, ist mein Zeuge, dass es doch wahr gewesen sein muss, was die Nacht vor sich um sich ging.
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Im Schein der Straßenlampe ist ihre grauslige Gestalt wie ein Schatten über meine Zimmerwände gehuscht.
Am Fenster sah ich davor schon die andern vorbei schleichen: die Waldgeister, vermummte Gestalten in Ziegen- und Schaffelle, mit ellenlange, gwundene Hörner auf`m Kopf. Trommelt ham`s und gscheppert mit ihrane Glockn. Und haben ihn mitgebracht den Wildesten von allen, auf seinem Schemel aus neunerlei Hoiz.
Ein greller Blitz zuckte übern Himmel und ein heftiger Donner setzte dem Getöse draußen ein jähes Ende. Wie ein unheimlicher Kobold saß er auf einmal da, auf seinem Schemel, der "Mühlhiasl". Um seinen Kopf mit den buschigen, zerzausten Haaren tanzten die Himmelslichter. Und nacha hat er o`gfanga mit seine Gschicht, mit seine Weissagungen vom groaßn "Weltbänkeabräumen". Seine Stimme füllte meinen Raum, schlug gegen die Wände und zur Decke, bevor sie sich in meine Ohren bohrte:
"Eine Zeit wird kommen, wo alles drunter und drüber geht. Die armen Menschen müssens auf ihren Schultern tragen. Lug und Wahrheit wird der Beste nit mehr auseinander kennen und die Welt wird den Verstand verlieren. Kommen tut es in der Reih und dauert lange Jahr. Alleweil gscheiter werden die Leut und alleweil ungläubiger, das ist dann die erste Zeit. Wenn sich die Bauern kleiden wie die Stadtleut, wenn sie nimmer arbeiten wollen, wenn sie mit gewichsten Stiefeln in der Miststatt stehen, wenn man die Weiberleut wie die Geißn spürt und sie Köpf tragen wie die Besen, wenn die roten Hausdächer aufkommen, wenn auf den Straßn die weissen Gäns kommen, wenn die roten und blauen Hüt aufkommen, das ist die zweite Zeit. Eiserne Straßen werden in den Wald gebaut und grad vor Klautzenbach vorbei wird der eiserne Hund bellen. In die Schwarzach wird eine eiserne Straß gebaut, aber nit fertig werden. Alles wird voller Häuser und einmal werden die Brennessel aus den Fenstern wachsen. Wenn die Rabenköpf im Aussterben sind, dann kommt eine andere Zeit. Es wird gehen vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang. Die Leut werden aber immer mehr statt weniger. Sommer und Winter wird man nimmer auseinander kennen. Das Geld wird keinen Wert mehr haben, es wird zu Eisen. Um 200 Gulden wird man keinen Laib Brot mehr kriegen und es wird doch keine Hungersnot sein. Um einen Goldgulden kann man sich einen Bauernhof kaufen. Eines aber wird das andere nit mehr mögen. Jeder wird einen anderen Kopf haben. Die Zeit wird alleweil närrischer und die Leut werden in der Luft fliegen wie die Vögel. Ein großer weißer Vogel wird in den Wald kommen und das Unheil ankündigen. Der Wald aber wird licht werden wie des Bettelmanns Rock. Vom Hennerkobel bis zum Rachel wird man durch keinen Wald mehr gehen müssen. Das Holz wird teuer wie das Brot und die Leut werden im Wald frieren. Aber es langt noch. Die hohen Herren machen Steuern aus, die kein Mensch mehr zahlen wird. Der Antichrist wird auf der Welt sein und die Leut werden ihn nit kennen. In der Stadt wird alles drunter und drüber gehen und der Bruder wird seinen Bruder nit mehr kennen und die Mutter ihre Kinder nit. Die Leut werden aufs Land rennen und zum Bauern sagen, laß mich ackern. Der wird sie mit der Pflugreutn erschlagen. Wer feine Händ hat, wird aufgehängt. Die Zeit wird ihre Zeichen haben. Die Mannsbilder werden sich gewanden wie die Weiberleut und umgekehrt. Wird ein strenger Herr kommen und den Leuten die Haut abziehen. Ein großes Himmelszeichen wird es geben. Wenns so weit ist kommt das große Abräumen. Das eine Landl wird verheert und verzehrt, das andere Landl mit dem Besen ausgekehrt. Der Wald wird öd werden ohne Hunger und ohne Sterb. Über den Hennerkobel und über den Falkenstein werden sie kommen und rote Janker anhaben. Über Nacht wird’s geschehen. Die Leut werden aus dem Wald rennen. Wer`s überstehen will, muss einen eisernen Kopf haben. Die Leut werden krank, und niemand kann ihnen helfen. Wenn man auf dem Berg steht, wird man im ganzen Wald kein Licht mehr sehen.“
Blitze huschten ums Haus und ein großer Donner riss dem Kobold die Worte weg, ich verstand nur noch eins: "Sag`s Euren Kindern und Kindeskindern, dass sie es weiter sagen: Sie sollen sich hüten vor falschem Stolz und dem Hochmut, denn sie werden das ganze Unglück bringen. Sag`s ihnen: Es kann die Welt nit anders sein wie der Herrgott es will."
Draußen zuckten erneut die Blitze über den Himmel. Das Donnergrollen verzog sich in die Ferne. Ich nahm all meinen Mut zusammen, richtete meinen Blick gegen die Decke und fixierte dort den Schatten mit den zauseligen Umrissen.
"Wann wird das alles sein, Hiasl?" flüsterte ich.
"Du wirst es nit mehr erleben, aber Deine Kinder sehen den Anfang", krächzte der Waldprophet.
"Hiasl, woher woaßt Du des allas"“, verfiel ich in meinen Waldheimat-Dialekt.
"Abertausend Tag und Nacht hab ich übern Wald den Himmel, die Sterne, den Mond, die Berg und den Wind darüber befragt. Und dann hab ich es gewusst. Mir hat der Herrgott eine Gab gegeben, die hat mich über die Waldberge in den Himmel schauen lassen. Dort oben hat er mir alles aufgemalt."
"Hiasl, wann werd` des ois sei?" flüsterte ich atemlos.
"Zuerst kommen die vielen Jubiläen. Überall wird übern Glauben predigt. Kein Mensch kehrt sich mehr darum. Wenn der Johannestag und der Kranzltag zusammen fallen, dann geht’s los"
Eiskalt rann es mir den Rücken hinunter, ich atmete schwer, schnappte nach Luft, es war als drücke mir einer die Gurgel zu. Mir wurde geradewegs schwarz vor Augen, als draußen mit einem Donnerschlag ein Ohren betäubendes Brausen und Getöse anhob; der Wind fuhr um die Hausecken, rüttelte an Fensterläden und Dachschindeln. Wie im Fieberwahn war mir und ich zog mir die Bettdecke über den Kopf.
Als ich Stunden später schweiß gebadet erwachte, war er verschwunden, der Waldkobold, nur ein Stück Holzscheid, das ich unterm Fensterbrett fand, ist mein Zeuge, dass es doch wahr gewesen sein muss, was die Nacht vor sich um sich ging.
Teresa HzW - 6. Jan, 22:29 - Rubrik Wiederworte
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