Leben im Atomland

Die Gefahr eines Unfalls ist in Baden-Württemberg auf einmal greifbar nah.
"Neckarwestheim 1" ist das zweitälteste der 17 deutschen Kernkraftwerke und steht in einem Erdbeben gefährdeten Gebiet.
3.500 Einwohner leben in Neckarwestheim, das genau zwischen Stuttgart und Heilbronn liegt, etwa 250 Neckarwestheimer arbeiten in den beiden AKW, die der Gemeinde vier Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Jahr bringen. Die Laufzeitverlängerung – wenigstens von "Neckarwestheim 1" - soll nun ausgesetzt werden. Ein billiger Wahlkampftrick?

Während die baden-württembergische Umweltministerin Inspektoren in die Atomkraftwerke des Landes schickte und erst deren Prüfberichte abwartet, sprach sich ihr bayrischer Umwelt-Ministerkollege bereits für die "schnelle" Abschaltung des ältesten bayrischen AKW, "ISAR 1", aus. Dieses politische Signal kommt nicht von ungefähr.
Zwar steht Bayern anders als Baden-Württemberg nicht vor Landtagswahlen. Jedoch handelt es sich bei "ISAR 1" um einen Siedewasserreaktor wie beim Katastrophenreaktor Fukushima. Nach den rot-grünen Ausstiegsplänen (Atomausstiegsgesetz von 2002, das die Schwarz-Gelbe Regierung letztes Jahr wieder kassierte) wäre "ISAR 1" in diesem Jahr vom Netz gegangen. Durch die Laufzeitverlängerung könnte es bis 2019 laufen. Selbst das Bundesamt für Strahlenschutz attestierte Kraftwerken wie der Baureihe "ISAR 1" "geringere Sicherheitsreserven" wie jenen Atomkraftwerken, die in jüngerer Zeit ans Netz gingen.
Noch drastischer formulierten es jüngst österreichische Wissenschaftler, die im Auftrag der Österreichischen Bundesregierung, die Sicherheit von ISAR 1 untersuchten und "gravierende Sicherheitsmängel" fanden.

Auch "Neckarwestheim 1" wäre dieses Jahr nicht mehr am Netz.
Jedoch - für die Laufzeitverlängerung der AKW machte sich im Ländle der amtierende Ministerpräsident besonders stark: Manch eine[r] meiner Leser[innen] erinnert sich vielleicht, dass der vor einem Jahr so weit ging, von der Bundeskanzlerin die Entlassung des Bundesumweltministers zu verlangen, weil jener damals Bedenken gegen die Laufzeitverlängerung äußerte.
Und nun die 180-Grad-Wende – ein Schelm, wer denkt, weil Landtagswahlen sind…
Als Losung gab auch der hiesige Ministerpräsident heute aus: Sicherheit sei oberstes Gebot. "Kernkraftwerke, die nicht den erforderlichen Sicherheitsansprüchen genügen, werden abgeschaltet."
Derweil nehmen Inspektorenexperten die Kernkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg unter die Lupe: Sie überprüfen vor allem die Notstromversorgung und die Sicherheitsnetze für das Szenario, dass die reguläre Stromversorgung ausfällt.

Für den morgigen Dienstag beruft die schwarz-gelbe Landesregierung eine Sondersitzung des Landtags ein. Die CDU-FDP-Koalition wird dann über die Situation der Kernkraftwerke im Ländle Auskunft geben.

Ob man sich dann erinnert, dass nach dem rot-grünen Atomgesetz von 2002 "Neckarwestheim 1" letztes Jahr hätte abgeschaltet werden sollen. Selbst der jüngste Meiler, "Neckarwestheim 2", wäre dann im Jahr 2022 vom Netz gegangen.

Durch die im vergangenen Jahr unter schwarz-gelb beschlossene Laufzeitverlängerung können die Atomkraftwerkbetreiber jedoch - Moratorium hin, Moratorium her - solange ihre Kraftwerke betreiben wie das jeweilige AKW nicht die ihm zugeteilte Reststrommenge erzeugt hat. Die Atomkraftwerkbetreiber haben es nämlich selbst in der Hand, wieviel Strom sie in einem Kraftwerk tatsächlich im Jahr produzieren und ins Netz einspeisen.
Das heißt, wenn ein Betreiber die Stromerzeugung drosselt oder etwa ganz oder zeitweise unterbricht – etwa für Wartungsarbeiten oder im Fall von Pannen oder wie jetzt während eines drei-monatigen Moratoriums – dann kann er das Ende der Kraftwerksbetreibung in einem AKW ohne Weiteres hinaus zögern.
Insofern ist die Skepsis mancher Oppositioneller oder von AKW-Gegnern verständlich, wenn diese fragen: Ist das Moratorium, die Schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung für drei Monate auszusetzen, nicht doch ein billiger Wahlkampftrick!? In drei Monaten sind die wichtigsten Landtagswahlen nämlich überstanden!

Allerdings viele Bürger wissen zwischenzeitlich: Abschalten heißt nicht, dass die atomaren Reaktionen in einem solchen AKW schlagartig mit dem Runterfahren enden. Selbst wenn der Baden-Württembergische Landtag in seiner Sondersitzung die sofortige Abschaltung beschließen würde: Es dauert Jahre bis sich die Brennstäbe abgekühlt haben und die kernreaktiven Prozesse in einem abgeschalteten Meiler beendet sind.
2193 mal gelesen
Gast (Gast) - 14. Mär, 23:58

Richtig, Radioaktivität lässt sich nicht einfach abschalten, Danke dass das mal angesprochen wird.

Teresa HzW - 15. Mär, 09:49

@Gaeste

Vielen Dank für all Ihre Kommentare, die ich gern heute Abend beantworte.
Nachtschwärmer (Gast) - 15. Mär, 00:24

Was bringts, wenn wir Kraftwerke schließen, drumherum in anderen europäischen Ländern, wie Bulgarien oder Polen neu gebaut wird; selbst Italien will neue AKW.

Sabbl (Gast) - 15. Mär, 00:42

Wie wärs mit einem Risikoausgleich zwischen den Ländern?
Nachtschwärmer (Gast) - 15. Mär, 00:55

wie soll der berechnet werden, z.B. allein Frankreich bezieht 80% seines Stroms aus AKWs
Sabbl (Gast) - 15. Mär, 01:01

Ähnlcih wie die Klimaschutzabgabe. Wäre ein Weg

Trackback URL:
https://wiederworte.twoday.net/stories/leben-im-atomland/modTrackback

Wi[e]der[W]orte [2]

wiederworte2.twoday.net Wenn Sie auf dieses Bild klicken, erfahren Sie, wie es weitergeht... :-)

[post]modern

RealityStudio.org

Aktuelle Beiträge

Rätsel
Oh, ich liebe Sprachspiele und Rätsel! Die darfst du...
Derryck - 11. Okt, 16:33
Ist es verwerflich, dass...
Ist es verwerflich, dass ich erstmal schauen musste,...
Rätsel Hilfe - 29. Aug, 11:24
Französischer Klassiker
Ich liebe die französischen Klassiker! Danke für die...
Karl-Wissen - 11. Aug, 18:33
OT
Umzug wurde vielleicht noch nicht bemerkt. Hier noch...
steppenhund - 8. Nov, 15:16
OULIPO
Diesem Rätsel liegt ein Sprachspiel zugrunde, wie ich...
Teresa HzW - 27. Dez, 22:57
Schokolade vom heimischen...
"Schokolade von einem heimischen Erzeuger" - Gott sei...
Gerhard (Gast) - 11. Okt, 14:46
Rayuela reloaded ;-)
Ich habe "Rayuela" vor einigen Jahren gelesen, in zwei...
Johanna (Gast) - 8. Sep, 11:19
Cree de Ficino
Sehr geehrte(r)…, die Firma www.lulu.com bietet die...
Karlheinz Keller (Gast) - 10. Jul, 21:11
HM
Schwer[wiegend] - schwierig
Daniel (Gast) - 27. Jun, 11:37
Antwort geschrieben,...
Antwort geschrieben, allerdings hinfort. Da hats irgendwas...
Jossele - 27. Mai, 18:46
Umzug
Die Umzugskisten sind gepackt. Die Haus-[Renovierungs]-Um-Bau -Arbeiten...
Teresa HzW - 23. Mai, 20:19
Eigenartig
So viele Lese [oder doch nur kurze An-?-]Klicke und...
Teresa HzW - 21. Mai, 12:43
ein wenig Carmen
Das kommt wohl darauf an, wie man[n oder frau] ein...
Teresa HzW - 21. Mai, 12:35

RSS Box

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Basics

Dies ist das literarische Blog von Teresa. Etwaige Ähnlichkeiten von hier beschriebenen bzw. agierenden Personen mit verstorbenen oder lebenden sind rein zufällig. Die Betreiberin dieses Blogs ist nicht für den Inhalt der Verlinkungen verantwortlich, die auf andere Webseiten verweisen. Kommentare von Besuchern dieser Seite vertreten deren persönliche Meinung, stimmen jedoch im Zweifelsfall nicht mit der Meinung der Betreiberin dieses Blogs überein. Dieses Weblog einschließlich aller Inhalte unterliegt weltweit dem Urheberrechtschutz oder anderen Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums. Fragen? Dann nehmen Sie Kontakt mit mir auf.

Kontakt

Wer mit mir in Kontakt treten möchte, via mail an teresahzw bei googlemailpunktcom.

[Post]Moderne
All[e]Tag[e]
Andern[w]Orts
Beaux Arts
Bibliothek
Fund[W]orte
Nachtkantine
Paternoster
Vergessens[W]Orte
Widerworte
Wiederworte
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren