Am passendsten sind meine momentanen Eindrück wohl hier angebracht. Im Flug von Belgrad nach Wien konnte ich ein bisschen weiterlesen.
Ich markiere mir ein paar Sätze im Buch an, mit Kugelschreiber. Das empfinde ich eher sakrilegisch, doch es ging nicht anders.
Ich leugne nicht meine Schuld; sie ist mit langen Briefen, die der erwaschsenen Tochter meine damalige Scheidung erklären, nicht zu tilgen. Sie wird gebraucht, unsere Schuld, sie rechtfertig viel im Leben anderer.
... sie rechtfertig viel ... halte ich für eine bemerkenswerte Aussage. Darüber schreiben andere hunderte Seiten lange Romane, doch so klar wird es nie ausgesprochen. Wer würde in der Essenz von Schuld etwas Positives erkennen?
... ein deutscher Zöllner, nachdem er meinen Paß gesehen hat, möchte gar nicht in meine Koffer schauen, sondern behilflich sein; er kennt nicht bloß den Namen, sondern erinnert sich wohl an ein Stück, das ihm gefallen habe: DER BESUCH DER ALTEN DAME.
Der Londoner Paßprüfer schafft das ganze auch ohne Verwechslung und es freut Frisch. Das kann ich mir gut vorstellen.
Noch schöner und berührender ist folgende Schilderung: ... ein Sowjetbürger, ein jüngerer Mann, der 1968 auf dem Roten Platz demonstriert hat und den ich neulich in Gesellschaft zufällig getroffen habe, übermittelt Grüße aus einem sibirischen Arbeitslager, Dank im Namen von Insassen, die ich nie sehen werde; ...
Frisch beschreibt den Ruhm, den ich als echt empfinde. Es gibt viele Menschen, die seinen Namen kennen, doch jeder kennt ihn individuell, weil sie etwas gelesen haben. Beim Lesen ist man alleine und arbeitet quasi am Ruhm des Schriftstellers mit. Ich setze das in den Gegensatz zu dem Ruhm von - sagen wir - Lady Gaga oder Madonna. Jener Art von Ruhm ist auch langlebiger. Bei manchen "berühmten" Personen stellt er sich manchmal ja auch erst nach dem Tod der Betreffenden ein.
... die öffentliche Frage: Stimmt es, Herr Frisch, daß Sie die Frauen hassen? Er schreibt ja keine Antwort - außer indirekt. Dazu habe ich noch zu wenig von Montauk gelesen. Ich könnte mir vorstellen, dass Frisch die Erotik hasst, in dem Sinn, den ich schon in einem anderen Kommentar beschrieben habe. Vielleicht ärgert er sich darüber, dass er sich mit dem Thema Frauen auseinander muss, weil er als Mann ihre Reize empfindet. Könnte ich mir gut vorstellen, auch wenn ich da eine eigene Projektion preisgebe.
Gleich darauf wird es noch interessanter: Verhältnis von Lebensalter und Unwissen: welche mathematische Kurve ergibt das? Trotz zuwachs an Wissen schnellt die Kurve mit dem Lebensalter: das Unwissen wird unendlich. Ich glaube zwar, dass hier das Wort "hinauf" fehlt, doch der Gedanke an sich ist bestechend. Und wie mir scheint, sehr gut nachvollziehbar.
Die Geschichte mit Thesy kommentiere ich jetzt nicht außer im Kontext zu der weiter oben gestellten Frage, wie viele ICHs da vorhanden sind. Ich würde unterschiedliche Rollen identifizieren können, doch insgesamt komme ich doch bisher auf ein sehr konsistentes ICH. Ist alles nachvollziehbar.
Verstehbar in Bezug auf eine Person ist alles, was ich bisher gelesen habe. Aber vielleicht erlebe ich ja noch meine Überraschungen.
Wi[e]der[W]orte [2]
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Ich markiere mir ein paar Sätze im Buch an, mit Kugelschreiber. Das empfinde ich eher sakrilegisch, doch es ging nicht anders.
Ich leugne nicht meine Schuld; sie ist mit langen Briefen, die der erwaschsenen Tochter meine damalige Scheidung erklären, nicht zu tilgen. Sie wird gebraucht, unsere Schuld, sie rechtfertig viel im Leben anderer.
... sie rechtfertig viel ... halte ich für eine bemerkenswerte Aussage. Darüber schreiben andere hunderte Seiten lange Romane, doch so klar wird es nie ausgesprochen. Wer würde in der Essenz von Schuld etwas Positives erkennen?
... ein deutscher Zöllner, nachdem er meinen Paß gesehen hat, möchte gar nicht in meine Koffer schauen, sondern behilflich sein; er kennt nicht bloß den Namen, sondern erinnert sich wohl an ein Stück, das ihm gefallen habe: DER BESUCH DER ALTEN DAME.
Der Londoner Paßprüfer schafft das ganze auch ohne Verwechslung und es freut Frisch. Das kann ich mir gut vorstellen.
Noch schöner und berührender ist folgende Schilderung:
... ein Sowjetbürger, ein jüngerer Mann, der 1968 auf dem Roten Platz demonstriert hat und den ich neulich in Gesellschaft zufällig getroffen habe, übermittelt Grüße aus einem sibirischen Arbeitslager, Dank im Namen von Insassen, die ich nie sehen werde; ...
Frisch beschreibt den Ruhm, den ich als echt empfinde. Es gibt viele Menschen, die seinen Namen kennen, doch jeder kennt ihn individuell, weil sie etwas gelesen haben. Beim Lesen ist man alleine und arbeitet quasi am Ruhm des Schriftstellers mit. Ich setze das in den Gegensatz zu dem Ruhm von - sagen wir - Lady Gaga oder Madonna. Jener Art von Ruhm ist auch langlebiger. Bei manchen "berühmten" Personen stellt er sich manchmal ja auch erst nach dem Tod der Betreffenden ein.
... die öffentliche Frage: Stimmt es, Herr Frisch, daß Sie die Frauen hassen? Er schreibt ja keine Antwort - außer indirekt. Dazu habe ich noch zu wenig von Montauk gelesen. Ich könnte mir vorstellen, dass Frisch die Erotik hasst, in dem Sinn, den ich schon in einem anderen Kommentar beschrieben habe. Vielleicht ärgert er sich darüber, dass er sich mit dem Thema Frauen auseinander muss, weil er als Mann ihre Reize empfindet. Könnte ich mir gut vorstellen, auch wenn ich da eine eigene Projektion preisgebe.
Gleich darauf wird es noch interessanter: Verhältnis von Lebensalter und Unwissen: welche mathematische Kurve ergibt das? Trotz zuwachs an Wissen schnellt die Kurve mit dem Lebensalter: das Unwissen wird unendlich. Ich glaube zwar, dass hier das Wort "hinauf" fehlt, doch der Gedanke an sich ist bestechend. Und wie mir scheint, sehr gut nachvollziehbar.
Die Geschichte mit Thesy kommentiere ich jetzt nicht außer im Kontext zu der weiter oben gestellten Frage, wie viele ICHs da vorhanden sind. Ich würde unterschiedliche Rollen identifizieren können, doch insgesamt komme ich doch bisher auf ein sehr konsistentes ICH. Ist alles nachvollziehbar.
Verstehbar in Bezug auf eine Person ist alles, was ich bisher gelesen habe. Aber vielleicht erlebe ich ja noch meine Überraschungen.