Ma sott
"Ma sott", sagt der Schwabe, wenn etwas Dringendes erledigt werden sollte, er aber keine Zeit, keine Lust oder einfach nicht die Muse dazu hat.
"Ma sott", sage ich zu mir selbst.
Seit drei Tagen, wenn ich die eigene Schreib-Stagnation auf meinem Blo[ck] betrachte: Tausend Themen, die auf der Straße liegen, sich förmlich [mir] aufdrängen, zu [be]schreiben. Jedoch: Keine Zeit! Auch nur eines dieser Themen richtig anzupacken.
Bevor Sie Ihre Stirn runzeln, liebe Leserinnen und liebe Leser, keine Sorge, es ist kein "Writers-Block". Keine Schreibblockade! Sondern schlichtweg die Ermangelung an Zeit, an Muse, die mir fehlt, denn "im Weinberg" liegt so viel Arbeit an.
Dazu kam, dass noch einer zu Grabe zu tragen war, und mir wertvolle Tage und somit Zeit stahl. Zeit, die mir im Weinberg und für den Schreibblo[ck] fehlte. Er hat sie mitgenommen, der liebe Verwandte, "Gott hab ihn seelig", in sein Schattenreich.
Falls Sie meinen, ich schreibe nun despektierlich. Es war kein mir Nahestehender. Daher hält sich meine Trauer in Grenzen. Außerdem - er war hochbetagt. Mehrmalig rechneten wir in den letzten beiden Dekaden mit seinem Ableben, da er da schon erstaunlich alt geworden. Und irgendwann holt er uns doch alle heim… der da Oben, nicht wahr. Und jetzt ist es halt einfach Zeit geworden für ihn…
Dennoch... mir gehen solche "Feierlichkeiten" nach, auch wenn`s "a scheene Leich" war. In der Kirche, hinterm Sarg, auf dem Weg zur Grabesstätte, und davor stehend, denkt man an so vieles. Es ziehen nicht nur die Jahr[zehnt]e vorüber, sondern auch die Geschichte[n]. Es ziehen [W]Orte und Begebenheiten vorüber, in denen sie einander und man sich unter einander verbunden war[en]. Und es rufen sich einem wieder Sätze in Erinnerung, die man lange vergaß. Erst dann, wenn der Weggegangene für immer entschwunden ist, kehren sie zurück, haften sie sich einem ein, diese Sätze:
"Zukunft braucht Herkunft" ist so einer.
Oder ein anderer: "Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht, weil er weiß, wo er steht."
Beides ist schwierig in Zeiten, wie diesen. In Zeiten, wie wir, unsereine[r], viele, wir alle, sie erfuhren. Und in Zeiten, wie heutzutage, diesen, wo keiner mehr weiß, wo der Zug, der Sinn, der Zeit eigentlich hingeht…
Es ist schwierig, zu trauern oder sich neu zu begegnen, wenn aus der "lieben" Rest-Verwandtschaft, selbst bei einem traurigen Anlass wie einem Begräbnis, wieder welche die alte Leierorgel spielen. Dabei dachte man, die sei nun garantiert, endlich kaputt gegangen und auf dem Schrottplatz oder bei einem Antiqitätenhändler gelandet, wo sie auf solche Käufer wartet, die diese alten Lieder gerne wieder aufziehen. Dabei dachte unsereine[r], wenn man sich bald zweiundzwanzig Jahre nicht mehr gesehen hat, dann wird es doch, weiß Gott, in den wenigen Stunden der Zusammenkunft, andere, neuartigere Themen geben, als die alten Kamellen von "dei Vodda hod" und "da muass doch no äbbas do sei vo dem Ausgleich", "dea hod do amoi wos kriagt… aus da Kassa vom… friara"...
"Mei wos woass I", hob i dann gsagt, in meim duifsten Waidladialekt, wiar i den nua no zeltn zammakriag, bloss wann`s mi narrisch dableckn de "Bearn", de "Sau[b]ea[rer]n" [um`s a wengerl zu verduschn, wos i moan], oiso nacha hob i mi hoid sakrisch aafgregt üba de saubane Vawandtschaft…
Und wenn Sie, den letzten Absatz eben, jetzt nicht alle verstanden haben, liebe Leserinnen und liebe Leser, dann ist das nicht weiters von Bedeutung. Sie haben nichts versäumt. Der Absatz war nur [m]ein Waldheimat-Wut-Ausbruch, wie er mir sogar beim Schreiben passiert, wenn ich jetzt nach drei Tagen noch dran denke. An die saubere Verwandtschaft. Also an die einen, jene Raffgeier, die immer denken, sie wären irgendwann einmal zu kurz gekommen, jene, die ihren Kragen nicht voll kriegen können, weil sie glauben, sie seien irgendwann einmal in grauer Vorzeit, als angeblich ein Erbe, sein Erbe, das vom Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater, verteilt wurde, übers Ohr gehauen und vergessen worden.
"Ma sott"…
...ja…
...solche Leute stehen lassen und "obacha", also ohne sich einen feuchten Kerricht drum zu scheren, weggehen, während die noch reden.
Und das, liebe Leserinnen und Leser, habe ich dann auch gemacht, mit jener sauberen Verwandtschaft.
Und sehen Sie, herausgekommen ist über diese beiden kleinen Worte und eine kurze Replik über das, was war, eine richtig kleine Geschichte. Obwohl ich eigentlich gar nicht vorhatte, die hier, heute zu erzählen.
Weil...
...eigentlich wollte ich heute ein Tagwerk schreiben, über das, was mich gerade umtreibt. Über Dinge, die wichtiger sind wie die "bucklige" Verwandtschaft.
Aber das mach` ich dann eben morgen, wenn ich mir in aller Herrgottsfrüh nach dem Aufstehen beim ersten Café au lait denke: "Ma sott…"
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"Ma sott", sage ich zu mir selbst.
Seit drei Tagen, wenn ich die eigene Schreib-Stagnation auf meinem Blo[ck] betrachte: Tausend Themen, die auf der Straße liegen, sich förmlich [mir] aufdrängen, zu [be]schreiben. Jedoch: Keine Zeit! Auch nur eines dieser Themen richtig anzupacken.
Bevor Sie Ihre Stirn runzeln, liebe Leserinnen und liebe Leser, keine Sorge, es ist kein "Writers-Block". Keine Schreibblockade! Sondern schlichtweg die Ermangelung an Zeit, an Muse, die mir fehlt, denn "im Weinberg" liegt so viel Arbeit an.
Dazu kam, dass noch einer zu Grabe zu tragen war, und mir wertvolle Tage und somit Zeit stahl. Zeit, die mir im Weinberg und für den Schreibblo[ck] fehlte. Er hat sie mitgenommen, der liebe Verwandte, "Gott hab ihn seelig", in sein Schattenreich.
Falls Sie meinen, ich schreibe nun despektierlich. Es war kein mir Nahestehender. Daher hält sich meine Trauer in Grenzen. Außerdem - er war hochbetagt. Mehrmalig rechneten wir in den letzten beiden Dekaden mit seinem Ableben, da er da schon erstaunlich alt geworden. Und irgendwann holt er uns doch alle heim… der da Oben, nicht wahr. Und jetzt ist es halt einfach Zeit geworden für ihn…
Dennoch... mir gehen solche "Feierlichkeiten" nach, auch wenn`s "a scheene Leich" war. In der Kirche, hinterm Sarg, auf dem Weg zur Grabesstätte, und davor stehend, denkt man an so vieles. Es ziehen nicht nur die Jahr[zehnt]e vorüber, sondern auch die Geschichte[n]. Es ziehen [W]Orte und Begebenheiten vorüber, in denen sie einander und man sich unter einander verbunden war[en]. Und es rufen sich einem wieder Sätze in Erinnerung, die man lange vergaß. Erst dann, wenn der Weggegangene für immer entschwunden ist, kehren sie zurück, haften sie sich einem ein, diese Sätze:
"Zukunft braucht Herkunft" ist so einer.
Oder ein anderer: "Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht, weil er weiß, wo er steht."
Beides ist schwierig in Zeiten, wie diesen. In Zeiten, wie wir, unsereine[r], viele, wir alle, sie erfuhren. Und in Zeiten, wie heutzutage, diesen, wo keiner mehr weiß, wo der Zug, der Sinn, der Zeit eigentlich hingeht…
Es ist schwierig, zu trauern oder sich neu zu begegnen, wenn aus der "lieben" Rest-Verwandtschaft, selbst bei einem traurigen Anlass wie einem Begräbnis, wieder welche die alte Leierorgel spielen. Dabei dachte man, die sei nun garantiert, endlich kaputt gegangen und auf dem Schrottplatz oder bei einem Antiqitätenhändler gelandet, wo sie auf solche Käufer wartet, die diese alten Lieder gerne wieder aufziehen. Dabei dachte unsereine[r], wenn man sich bald zweiundzwanzig Jahre nicht mehr gesehen hat, dann wird es doch, weiß Gott, in den wenigen Stunden der Zusammenkunft, andere, neuartigere Themen geben, als die alten Kamellen von "dei Vodda hod" und "da muass doch no äbbas do sei vo dem Ausgleich", "dea hod do amoi wos kriagt… aus da Kassa vom… friara"...
"Mei wos woass I", hob i dann gsagt, in meim duifsten Waidladialekt, wiar i den nua no zeltn zammakriag, bloss wann`s mi narrisch dableckn de "Bearn", de "Sau[b]ea[rer]n" [um`s a wengerl zu verduschn, wos i moan], oiso nacha hob i mi hoid sakrisch aafgregt üba de saubane Vawandtschaft…
Und wenn Sie, den letzten Absatz eben, jetzt nicht alle verstanden haben, liebe Leserinnen und liebe Leser, dann ist das nicht weiters von Bedeutung. Sie haben nichts versäumt. Der Absatz war nur [m]ein Waldheimat-Wut-Ausbruch, wie er mir sogar beim Schreiben passiert, wenn ich jetzt nach drei Tagen noch dran denke. An die saubere Verwandtschaft. Also an die einen, jene Raffgeier, die immer denken, sie wären irgendwann einmal zu kurz gekommen, jene, die ihren Kragen nicht voll kriegen können, weil sie glauben, sie seien irgendwann einmal in grauer Vorzeit, als angeblich ein Erbe, sein Erbe, das vom Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater, verteilt wurde, übers Ohr gehauen und vergessen worden.
"Ma sott"…
...ja…
...solche Leute stehen lassen und "obacha", also ohne sich einen feuchten Kerricht drum zu scheren, weggehen, während die noch reden.
Und das, liebe Leserinnen und Leser, habe ich dann auch gemacht, mit jener sauberen Verwandtschaft.
Und sehen Sie, herausgekommen ist über diese beiden kleinen Worte und eine kurze Replik über das, was war, eine richtig kleine Geschichte. Obwohl ich eigentlich gar nicht vorhatte, die hier, heute zu erzählen.
Weil...
...eigentlich wollte ich heute ein Tagwerk schreiben, über das, was mich gerade umtreibt. Über Dinge, die wichtiger sind wie die "bucklige" Verwandtschaft.
Aber das mach` ich dann eben morgen, wenn ich mir in aller Herrgottsfrüh nach dem Aufstehen beim ersten Café au lait denke: "Ma sott…"
Teresa HzW - 20. Jul, 16:41 - Rubrik Wiederworte
Es ist eine gewisse Form des Materialismus, die sich natürlich auch am Grab nicht verleugnen lässt.
Allerdings ist dieses Verhalten nicht regional beschränkt sondern auch hierzulande häufig anzutreffen.
Prinzipiell versuche ich solchen Menschen auszuweichen und von der Verwandschaft mit derartigen Allüren ist keiner mehr da.
Ja und die Sprüche:
"Zukunft braucht Herkunft"oder "Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht, weil er weiß, wo er steht." zeugen von so unverhohlenem Materialismus, dass man sich einfach angewidert abwendet, vor allem wenn sie im Mund bestimmter Leute auftauchen.
Aber dafür ist die Geschichte jetzt eine sehr schöne geworden. Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch etwas Gutes nach sich zieht:)
@Steppenhund
Bei den Sprüchen denke ich nicht an M[oney]aterialistisches, sondern eher an traditionelle Werte, die die Herkunft [im Sinne von "woher man kommt", weil {bestimmte anerzogene oder einfach nur Familien}Rituale] oder die genealogischen Wurzeln meinend, lieber Steppenhund.
Diese beiden Zitate stammten übrigens nicht von der Raffgeiernden Seite, sondern von jenen, die diese Werte noch hochhalten und leben.
Welch` Freude, dass Ihnen die "Geschichte" gefiel :-))) und Ihr letzter Satz klingt beinahe prophetisch...