steppenhund - 21. Mai, 14:02

Mit Verlaub gesagt

Ich traue mich das hier zu schreiben, weil ich annehmen darf, dass mein Kommentar mit dem richtigen Verständnis gelesen wird.
Vorab, ich wünsche Ihnen gerne, dass der Ort ihrer Wahl gewinnt.
-
Im Übrigen sind diese Wettbewerbe, so positiv sie erscheinen mögen, - ein Museum ist sicher ein besseres Auszeichnungsobjekt als der oder die Superstar - auf die Frage zu reduzieren: was ist dein Lieblingskomponist?
Oder wer war größer: Goethe oder Shakespeare?
Oder welches Restaurant ist das Beste?
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Derartige Wettbewerbe oder Fragen haben für mich masturbatorischen Charakter. Oder sollte ich Canetti-Zitate aus Masse und Macht zitieren? Man versucht den Leuten, das Manna zu geben. Das Gefühl zu einer Gruppe zu gehören, die sich hinter "eine" Sache stellen. Gewinnt mein Favorit kann ich mich im warmen wohltuenden Schlammbad suhlen. Gewinnt er nicht, suhle ich mich mit meinem Beleidigtsein, dass die anderen nicht Größe erkennen können.
Gibt es denn den Superlativ, vor allem gibt es ihn bei subjektiven Befindlichkeiten? Denke ich heute nicht anders über einen Autor als vor zehn Jahren?
Die Hauptfrage bleibt aber: sind wir Menschen nicht anders zum Denken zu bewegen als durch extern zugebrachte Massenstimuli?
Der Tag des Bildschirms
Der Tag der Visitenkarte
Der Tag des Kugelschreibers
Der Tag des Glases
Der Tag der Maus
Der Tag der Katze
Der Tag des Hundes
Der Tag der Ehefrauen
Der Tag der Mutter
Der Tag des Vaters
Der Tag der Kinder
Der Tag des Apfels
Der Tag der Birne
Der Tag der Vertrotteltheit
Der Tag der ad libitumösen Fortsetzung ...

Literaturfreund (Gast) - 21. Mai, 16:50

Thomas Bernhard wurde einmal mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet und im Folgejahr als Mitglied in die Jury berufen. Seine Erfahrungen mit der Jurierungssitzung beschrieb er - in seinem Buch Meine Preise - wie folgt:
"Ich glaube, alle hatten ihren Kandidaten….. genannt, als ich an die Reihe gekommen war und Canetti sagte. Ich war dafür Canetti den Preis zu geben für seine Blendung, das geniale Jugendwerk, das ein Jahr vor dieser Jurysitzung wieder neu gedruckt worden war. Mehrere Male sagte ich das Wort Canetti und jedesmal hatten sich die Gesichter an dem langen Tisch wehleidig verzogen. Viele...… wußten gar nicht, wer Canetti war, aber unter den wenigen, die von Canetti wußten, war einer, der plötzlich, nachdem ich wieder Canetti gesagt hatte, sagte: aber der ist ja auch Jude…... Dieser Satz hat jede weitere Debatte über meinen Vorschlag...… im Keim erstickt. Ich hatte es damals vorgezogen, mich an der weiteren Debatte überhaupt nicht mehr zu beteiligen und war nur noch schweigend am Tisch gesessen. Nun war aber die Zeit schon weit fortgeschritten..… Die Herren schauten schon auf die Uhr und durch die Flügeltüren drang schon der Bratenduft. So mußte der Tisch ganz einfach eine Entscheidung fällen. Zu meiner größten Verblüffung zog plötzlich einer der Herren, ich weiß wieder nicht, welcher, aus dem Bücherhaufen auf dem Tisch, wie mir schien wahllos, ein Buch von Hildesheimer heraus und sagte in umwerfend naivem Ton und geradezu schon im Aufstehen zum Mittagessen: Nehmen wir doch Hildesheimer…... jener Name, der während der ganzen stundenlangen Debatten überhaupt nicht gefallen war…... Und alle rückten auf ihren Sesseln und waren erleichtert und stimmten in den Namen Hildesheimer ein und binnen ein paar Minuten war Hildesheimer zum..… Preisträger bestimmt. Wer wirklich Hildesheimer war, wußten sie wahrscheinlich alle nicht. Im Augenblick wurde auch schon an die Presse die Mitteilung gegeben..… Die Herren erhoben sich und gingen hinaus in den Speisesaal. Der Jude Hildesheimer hatte den Preis bekommen. Für mich war DAS die Pointe des Preises. Ich habe sie nicht verschweigen können."
Teresa HzW - 21. Mai, 16:56

@Steppenhund

Wer knurrt hier so laut Widerwort? Ich wähnte doch alle "Hunde" im sams[mit]täg-igen Schönheitsschlaf [ich darf das so schreiben, weil auch ich weiß, dass Sie es schon in den richtigen Hals kriegen ;-)]

Daher ernsthaft geantwortet: Der Wettbewerb war mir der Aufhänger, lieber Steppenhund, indes mir ging es mehr um die besonderen Orte, an, hinter, in, auf, unter, über [es sind wohl alle Präpositionen denkbar] denen sich solche ungewöhnlichen Museen befinden. Es sind ja auch ORTE dabei, die eigentlich keine Museen sind, sondern manchem Leser, mancher Leserin, vielleicht [heute noch!] ein Schreckens-ORT sind. Anders formuliert Gedenk-ORTE wie das Kriegsareal in Wolgograd [eh. Stalingrad].
Manche Museen sind wiederum eher [schmerzhafte] Erinnerungs-Orte wie vielleicht das in Zagreb über die "zerbrochenen Herzen" [etwas freier übersetzt, nachdem was ich dazu auf der Website fand] .

Beeindruckend, dass es auch Museums-Orte gibt, an denen man etwas lernen kann, wie etwa das Experimenta in Heilbronn, ein kleines "Lokalmuseum" [falls es diese Bezeichnung in der Museumswelt gibt?], das es erst seit eineinhalb Jahren gibt und das mit einem Schlag über den schwäbischen Tellerrand hinaus, Bekanntheit erlangt. Da lebe ich quasi "um die Ecke", eine halbe Stunde Autofahrt entfernt, und kenne es nicht, dieses "Zentrum", das einem auch als Erwachsener die Welt der Physik, der Chemie, der Quantenlehre und anderer Naturwissenschaften näher bringt. Schande über mich!

Faszinierend auch, dass irgendwo in Russland, einem anderen [vermutlich auch?] "Lokalmuseum" - das sich einem örtlichen Schriftsteller widmet - diese Nominierungsehre zu teil wurde. Es ist klasse, dass eine Institution, die irgendwo am anderen Ende der Welt liegt, und sich darum kümmert, dass ihre lokalen Poeten nicht in Vergessenheit geraten, durch einen solchen Bewerb in den Blickwinkel der Öffentlichkeit rückt.

Insofern ging es mir in meinem heutigen Blogartikel n i c h t um den Preis an sich, denn wie ich bereits schrieb, ist es für jedes der 34 Museen, die sich in Bremerhaven präsentieren durften, eine besondere Ehre.

Mir würde es wohl sehr, sehr schwer fallen, zu sagen, WER nun diesen Titel verdiente. [wobei ich natürlich als "Hausherrin" sakrisch stolz wär, wenn der Schiller… aber nun ja… auch andere hätten`s verdient].

Wie üblich sind den Tageszeitungen diese [positiven] Nachrichten kaum eine Zeile wert. Das ist das Traurige und Skandalöse! Andererseits würden die berichten, dann bräuchte es meine Wiederworte und auch Ihrer Widerworte nicht, lieber Steppenhund ;-) und das wäre wiederum sehr schad`!

Jedoch: mit dem Thema an sich, also der Inflation der Preise, Auszeichnungen, Ehrentage usw usf haben Sie natürlich nicht unrecht, aber d a s Thema wär schon wieder einen eigenen, anderen Blogartikel wert ;-)

Insofern… vielleicht lieber ein paar Takte Klaviermusik :-))))
Teresa HzW - 21. Mai, 17:06

@Literaturfreund

Hoffen wir, dass es in Bremerhaven nicht so ausgeht, wie in Ihrem Zitatbeispiel und willkürlich einer heraus gepickt wird ;-)
steppenhund - 21. Mai, 17:59

@Literaturfreund

Das ist eine "COOLE" Geschichte. Danke für diesen Beitrag. Der Mozart von Hildesheimer ist ja auch wirklich nicht so schlecht:)
Wenn mich jemand gefragt hätte, ob Canetti Jude ist, hätte ich es nicht sagen können, obwohl ich mich für seine Biografie interessiert hatte. Offensichtlich gehört das für mich zu den Attributen, die nicht als merkenswert zählen. (Obwohl ich die Problematik selbst sehr wohl kenne.)
steppenhund - 21. Mai, 18:02

@Teresa

Auch ich habe nur den Anlass zum Knurren verwendet. Ich glaube aber auch, dass im Prinzip fast jedes Museum und sei es noch so klein die Seele des Kurators erkennen lässt. Manchmal gibt es gar nicht so viele Artefakte, dafür sind die Beschreibungen umso liebevoller abgefasst.
Manchmal ist es aber auch eine Studentin als Führerin, der man anmerkt, dass sie es nicht nur des Geldes wegen sondern aus echter Begeisterung tut.
Irgendwie sehe ich Museum ja ein bisschen wie ortsgebundenes Internet. Der Geist wird an ein Objekt gebunden und assoziiert anhand der Exponate.
Teresa HzW - 21. Mai, 19:27

@Steppenhund

Suchen Sie eine Beschreibung für "Museum"? Hier ist sie, die Ihre, bitte patentieren lassen, lieber Steppenhund: "Museum" - "ein bisschen wie ortsgebundenes Internet". Phantastisch!
Auch Ihr nächster Satz: "Der Geist wird an ein Objekt gebunden und assoziiert anhand der Exponate".
Das zergeht einem Wort[e]-Menschen [wie mir] wie Schokolade auf der Zunge *mmhmm* :-)

btw: Wie verhält es sich denn mit der Museums-Landschaft in Beograd?
Ich war wirklich bass erstaunt über die beiden Nominierungen aus Zagreb. Haben Sie schon etwas entdeckt, "woran einem in Ihrer neuen Wahlheimat der Geist gebunden werden könnte"?

Falls Sie das Wochenende in Beograd verbringen, machen Sie sich doch mal auf Spurensuche ;-)
steppenhund - 21. Mai, 19:36

Na morgen fliege ich ja wieder hinunter. Mittlerweile sind auch schon Kurzreisen angesagt, weil ich einerseits auch in Österreich terminlich gebunden bin, andererseits bestimmte Termine nicht verpassen möchte.
Es gibt "das" Museum in Belgrad: Kalemegdan.
Das ist zwar stark militärbezogen, regt aber schon zum Nachdenken an.
Teresa HzW - 22. Mai, 16:34

@Steppenhund

Vorausgesetzt Sie befinden sich am Mittwoch dieser Woche in Belgrad, dann begeben Sie sich doch in den Museumskomplex des 25. Mai?

Was es damit auf sich hat? Ein Geschichtsmuseum?
Oder doch: lokaler musealer Nationalfeiertag?

Na, das könnten Sie vor Ort sicher besser recherchieren, lieber Steppenhund ;-)

Guten Flug und
noch besseren Wochenstart :-)

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