Stuttgart 21... Fortsetzung

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich habe wieder E-mails bekommen.
Dieses Mal zu Stuttgart 21.
Allen mails ist eines gleich: DAS Er-STAUNEN…

Staunen über das Aufbegehren der "braven Schwaben", die im bundesdeutschen Bewusstsein bisher als "unauffällig, fleißig, eher langweilig" abgespeichert waren.

Staunen über die Sprachlosigkeit der Verantwortlichen, die sich "in ihren Büroburgen, hinter ihren Schreibtischen verschanzen", "unfähig zum Gespräch mit den Bürgern". Stattdessen, "in offene Briefe flüchten, anstatt sich von ihren Stühlen zu erheben, um auf dem Marktplatz oder vor dem Hauptbahnhof vor das Mikrofon zu treten". UND "FÜR ihr Projekt STUTTGART 21 einzutreten".
Allerdings, wie ich soeben lese, will sich Bahnchef Grube mit den Gegnern nun an einem Runden Tisch zusammen setzen.

Staunen bei meinen E-mail-Schreibern auch über das Anwachsen des Protests, darüber WIE binnen weniger Tage, manchmal auch binnen Stunden, Tausende von Bürger zu mobilisieren sind. Zuletzt, am gestrigen Freitagabend, als trotz Regen – die Bürgerprotestbewegungen sprechen von 40.000, die Polizei von 30.000 - Menschen auf die Stuttgarter Straßen gingen, um schließlich eine Menschenkette um den Landtag von Baden-Württemberg zu bilden.

HorschKarikatur in den Stuttgarter Nachrichten auf Seite 20 vom 28. August 2010.

Wenn man dieser Karikatur des Karikaturisten Horsch, die heute in den Stuttgarter Nachrichten, im Lokalteil, auf S.20 abgedruckt ist, Glauben schenken mag, ist Stuttgart (21) weltweit in aller Munde. Kein Wunder, selbst am Times Square in New York protestierten am Mittwoch einige Schwaben gegen das Projekt.

Auf der Seite gegenüber, Seite 21, erscheint ein Anzeigenargument der Stuttgart 21-Macher aus der derzeit laufenden Kommunikations-Kampagne, mit der das Kommunikationsbüro von S21 berechtigte Argumente der Projektgegner aufgreift und Sachargumente pro Großprojekt dagegen setzt. Unter dem Motto -Die guten Argumente überwiegen- läuft eine Kommunikationskampagne der S21-Macher, in der gegnerische Argumente aufgegriffen und diesen Sachargumente gegenüber gestellt wird. Argument Nummer sieben beschäftigt sich mit dem Abriss des Nordflügels und war am 28.08.2010 in den Regionalzeitungen abgedruckt.

Unter dem Motto „Die guten Gründe überwiegen“ sind auf der Internetseite von S21 die bisher erschienen sechs Anzeigenmotive nachzulesen (etwa bis zur Bildschirmmitte scrollen, die S21-Kampagnen-Argumente kommen nach den Abriss-Fotos)

Machen Sie sich wieder selbst Ihr Bild.

Mehr zur Großdemonstration am gestrigen Freitagabend in der Berichterstattung der beiden Regionalzeitungen Stuttgarter Nachrichten und Stuttgarter Zeitung.
4718 mal gelesen
Singlemann (Gast) - 29. Aug, 19:37

Was ich an solchen Großprojekten immer sehr schlimm finde, dass diese nicht in die Gesellschaft kommuniziert werden. Das nicht die besten Argumente für oder gegen ein Projekt entscheiden, sondern die Geltungssucht einiger weniger gegenüber den Gemeinwohl vieler sich durchsetzt.
Stuttgart 21 zeigt, dass die Demokratie mit Füßen getreten wird. Andererseits hat sich die schweigende Masse in Bewegung gesetzt, um gegen den Größenwahn zu protestieren. Ich hoffe, dass die Bürger auch in anderen Bereichen der Politik aktiver werden, um Unsinn zu verhindern.

Teresa HzW - 30. Aug, 23:56

Kommunkationsgau

Das Projekt S 21 wurde in der Vergangenheit kommuniziert, jedoch alles andere als richtig, werter Singlemann.
Die Verantwortlichen glauben, wenn man wie bei Stuttgart 21 geschehen, an die Spitze eines Kommunikationsbüros einen Landespolitiker stellt, dann genügt das. Kommunikation gerade in dieser Dimension wie bei Stuttgart 21 setzt jedoch Profis voraus. Damit meine ich Kommunikationsfachleute, die ihr Handwerk nicht im Landtag, sondern von der Pike auf in den vielschichtigen Bereichen der Kommunikation gelernt haben. Kommunikationsexperten, die dieses Handwerkszeug von der Humankommunikation über die Medienkommunikation bis hin zur Kommunikation im Web 2.0 und in den social communities beherrschen. Die diese Expertise zudem in den unterschiedlichen Feldern und bei unterschiedlichsten Anforderungen aufgrund ihrer Berufspraxis ein- und umzusetzen wissen.
Alles Fehlanzeige bei den Kommunikatoren von S21. Dort wird mit (veralteten) Konzepten aus der klassischen Markenwerbung ein Megaprojekt kommuniziert. Allein die derzeitige Kampagne, die ich in meinem Eintrag erwähne, kostet den Steuerbürger einen sechsstelligen Betrag (ich werde, wenn ich noch fündig werde, den Betrag nachliefern).

Der grundsätzliche Fehler, der bei S21 jedoch weiterhin gemacht wird, dass die Wünsche, die Bedürfnisse der Menschen, weder im Vorfeld noch aktuell in die Planungen eingebunden (worden) sind.

Eine Lebensweisheit sagt doch: "Geht nicht, gibt`s nicht"

Insofern danke ich Ihnen sehr für Ihren Eintrag.
Jan (Gast) - 29. Aug, 22:00

Wie lange wird es noch dauern bis das Thema bei Anne Will aufgegriffen wird? Es gibt weitere Großprojekte in Deutschland, in denen mit den Steuergeldern des Bürgers am Bürger vorbei geplant wird.

Teresa HzW - 30. Aug, 23:26

Der Spiegel befasst sich in seiner aktuellen Ausgabe von heute (Nr. 30 vom 30.8.2010) in seiner Titelgeschichte bereits mit diesem Phänomen, der durch Deutschland rollenden "Protestwelle", denn Stuttgart 21 ist nur ein Projekt unter mehreren, gegen das die Bürger kämpfen. Andere aktuelle Beispiele: Hamburger Bürger kippen die Schulreform, in Bayern setzen Bürger ein radikales Nichtrauchergesetz durch... Vor diesem Hintergrund könnte ich mir vorstellen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis angefangen von Anne Will über Frank Plasberg bis hin zu Maybrit Illner die TV-Talkerinnen und Talker der Nation auf dieses Thema springen, werter Jan.
Herzlichen Dank auch Ihnen für den Beitrag hier.
Anita (Gast) - 29. Aug, 22:03

Sehr geehrte Frau Teresa,

alle Welt blickt nach Stuttgart, aber bei uns in Ulm, wird ebenfalls gegen das Milliardenprojekt protestiert. Meine Sorge ist, dass wir in Oberschwaben vollends von der Welt abgehängt werden. Wir brauchen dringend bessere Zug- und Bus-Anschlussverbindungen auf unsere Dörfer. Dafür wird kein Geld mehr da sein. Es fließt alles in das Großprojekt. Wie macht man das seinen Enkelkindern klar, wenn die größer sind?

Freundliche Grüße aus Oberschwaben

Teresa HzW - 30. Aug, 23:15

Danke für diesen Hinweis, sehr geehrte Frau Anita.
Damit meine Blogleserinnen und Blogleser außerhalb Baden-Württembergs wissen, wovon Sie berichten, habe ich hier, bei der Südwestpresse Ulm, tatsächlich einen Artikel gefunden: über die Demonstration von vierzig Stuttgart 21-Gegnern vor dem Ulmer Hauptbahnhof. Unter diesem Link nachzulesen:
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/art4329,609502

Eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr wird sicher manche Region künftig vor große Herausforderungen stellen, bei zunehmend leeren Staatskassen und älter werdender Bevölkerung. Ob es in zwanzig Jahren noch so viele Autofahrer geben wird, wenn die Babyboomer zwischen Ende sechzig und Anfang achtzig sind? Ich kann Ihre Sorge gut nach empfinden.
Freundliche Grüße und ein herzliches Danke schön für Ihren Beitrag
Teresa

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